Hoffnungen auf geldpolitische Stützen durch die Europäische Zentralbank (EZB) haben dem deutschen Aktienmarkt am Dienstag kräftigen Rückenwind verliehen.
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Sollte sich der Wirtschaftsausblick nicht bessern, sei eine zusätzliche Zinslockerung notwendig, sagte EZB-Präsident Mario Draghi auf einer Konferenz im portugiesischen Sintra. Zusätzliche Zinssenkungen und weitere Anleihekäufe seien denkbar.
Der im frühen Handel noch im Minus dümpelnde Dax zog nach den Draghi-Äußerungen merklich an. Auch dank einer festen Eröffnung an der Wall Street kletterte er sukzessive weiter bis auf ein Tageshoch von 12 358 Punkten und damit auf den höchsten Stand seit Anfang Mai. Letztlich gewann der deutsche Leitindex 2,03 Prozent auf 12.331,75 Zähler. Dies war der größte Tagesgewinn des Börsenbarometers seit Januar. Der MDax, in dem die Aktien mittelgroßer Unternehmen vertreten sind, schloss mit einem Plus von 1,19 Prozent bei 25.606,13 Punkten.
Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 stieg um 2,06 Prozent auf 3452,89 Zähler. Der Pariser Cac-40-Index gewann 2,2 Prozent, der Londoner FTSE-Index rückte um 1,2 Prozent vor. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial notierte zum europäischen Handelsende rund 1,2 Prozent höher.
Am Markt wird nun bereits über eine Zinssenkung der EZB noch in diesem Jahr spekuliert. Dazu passend fiel die Rendite auf zehnjährige Bundesanleihen auf ein Rekordtief. Niedrige Zinsen lassen Aktien gegenüber Anleihen in einem besseren Licht erscheinen. Dementsprechend hätten die Aussagen Draghis an der Börse wieder die Renditejäger angelockt, schrieb Marktanalyst Salah Bouhmidi vom Handelshaus DailyFX.
Bei den deutschen Wohnimmobilien-Aktien verpufften die deutlichen Verlaufsgewinne am Nachmittag komplett, und die Papiere drehten ins Minus. Auslöser der abrupten Talfahrt war die Nachricht, dass sich der rot-rot-grüne Senat in Berlin auf das Eckpunktepapier für einen Mietendeckel in der Hauptstadt für fünf Jahre geeinigt hat. Das Gesetz soll spätestens im Januar 2020 in Kraft treten.
Die Papiere von Deutsche Wohnen, die das größte Wohnungsportfolio in der Region Berlin besitzt, schlossen mit einem Minus von 1,2 Prozent. Die Anteilsscheine von Ado Properties als reinem Berlin-Player endeten mit einem Verlust von 0,6 Prozent, nachdem sie zuvor in der Spitze 2,1 Prozent fester notiert hatten.
Die Aussichten auf eine zusätzliche geldpolitische Lockerung der EZB schob unter anderem auch die zinssensiblen Versorgerpapiere an. So schnellten RWE-Aktien um 3,8 Prozent in die Höhe, und die Anteilsscheine von Eon gewannen knapp 2 Prozent. Aktien von Versorgern gelten wegen eines hohen Kapitalbedarfs als überdurchschnittlich zinsabhängig. Zudem haben sie wegen vergleichsweise stabiler Erträge und Dividenden aus Anlegersicht einen Anleihen-ähnlichen Status.
Nach der Gewinnwarnung der Lufthansa am Wochenende ging die Talfahrt der Aktien am Dienstag aufgrund von negativen Analystenkommentaren weiter. Die Papiere büßten am Dax-Ende 2,3 Prozent an Wert ein, nachdem sie bereits am Montag um fast 12 Prozent eingeknickt waren.
Die Aktien von Infineon sanken um mehr als 2 Prozent. Der Halbleiterkonzern besorgte sich einen Teil der benötigen Milliarden für die Übernahme des US-Konkurrenten Cypress Semiconductor über eine Kapitalerhöhung im Volumen von 1,55 Milliarden Euro. Dadurch verwässert sich der Gewinn je Aktie.
Mit einem Kursaufschlag von 3,6 Prozent gehörten die Titel der Deutschen Bank zu den attraktivsten Dax-Werten. Bei der krisengeplagten Bank könnten Teile des Managements laut der Nachrichtenagentur Bloomberg innerhalb der kommenden Wochen ausgetauscht werden. Vorstandschef Christian Sewing erwäge die Ablösung von Finanzvorstand James von Moltke. Möglicherweise könnte auch Investmentbanking-Chef Garth Ritchie abgelöst werden. Die Deutsche Bank wollte die Personalien auf Anfrage der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX nicht kommentieren.
Klares Schlusslicht im MDax waren die Aktien von Siltronic mit einem Minus von knapp 8 Prozent. Der Hersteller von Halbleiter-Wafern hatte seine Jahresziele gesenkt.
Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite auf ein Rekordtief. Sie sank von minus 0,29 Prozent am Vortag auf minus 0,34 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,28 Prozent auf 144,72 Punkte. Der Bund-Future gewann 0,69 Prozent auf 172,76 Punkte.
Ein Euro kostete zuletzt 1,1191 US-Dollar. Die EZB hatte den Referenzkurs am Dienstag auf 1,1187 (Montag: 1,1234) US-Dollar festgesetzt. Der Dollar hatte damit 0,8939 (0,8902) Euro gekostet.