Blutbad bei Feiertags-Parade Medien berichten von neuen Details zum mutmaßlichen Schützen

red/
Am Unabhängigkeitstag eröffnete ein Schütze das Feuer auf eine Parade in der Nähe von Chicago. Es gibt mindestens sechs Tote. Foto: AFP/Jim Vondruska

Am Montag hatte ein Schütze bei einer Parade zum Nationalfeiertag der USA nahe Chicago ein Blutbad angerichtet. Jetzt gibt es neue Details zum mutmaßlichen Täter.

 
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Ermittler in den USA rätseln nach der Bluttat mit mindestens sechs Toten bei einer Nationalfeiertag-Parade über das Motiv des Täters. Ein junger Mann wird verdächtigt, mit einem „leistungsstarken Gewehr“ vom Dach eines Geschäftsgebäudes aus wahllos auf eine feiernde Menschenmenge geschossen zu haben. Dies teilten die Ermittler am Montag (Ortszeit) mit. Ereignet hatte sich die Tat in einem Vorort Chicagos im Bundesstaat Illinois. Mehrere im Internet veröffentlichte Musikvideos, die Szenen von Waffengewalt zeigen, werden dem Verdächtigen zugeschrieben. Er konnte Stunden nach der Tat festgenommen werden.

Zahlreiche Anwohner hatten sich am Vormittag des 4. Juli, an dem der Unabhängigkeitstag der USA landesweit gefeiert wird, im Zentrum der 30 000-Einwohner-Stadt Highland Park versammelt. Sie wollten gemeinsam feiern. Doch schon kurze Zeit nach Beginn der Parade fielen die ersten Schüsse. Augenzeugen berichteten später in US-Medien, sie hätten die Geräusche zunächst für Feuerwerk gehalten. „Mir fehlen die Worte, um diese Art von Monster zu beschreiben, das auf der Lauer liegt und in eine Menge mit Familien mit Kindern schießt“, schrieb der Gouverneur des Bundesstaates, Jay Robert Pritzker, auf Twitter.

Rund zwei Dutzend Verletzte wurden nach Polizeiangaben in Krankenhäuser gebracht. Ein Arzt in einem Krankenhaus sagte, dort seien Patienten im Alter von 8 bis 85 Jahren mit Schusswunden behandelt worden, darunter mehrere Kinder. Ein Augenzeuge namens Miles Zaremski sagte dem Sender CNN, er habe mehrere Verletzte und leblose Menschen gesehen, die auf dem Boden gelegen hätten. „Es war herzzerreißend.“ Er habe rund 30 Knallgeräusche gehört. Menschen seien von der Parade geflohen. „Es war einfach chaotisch.“

DNA-Spuren auf der Tatwaffe

Der mutmaßliche Todesschütze konnte Medienberichten zufolge anhand der Waffe identifiziert werden. Ermittler hätten DNA-Spuren an dem Gewehr gefunden, das der Verdächtige am Ort des Geschehens zurückgelassen habe, berichtete der US-Sender NBC News.

Ein Onkel des festgenommenen Verdächtigen sagte dem Sender CNN, er habe bei diesem keine Warnzeichen für eine solche Gewalttat erkannt. „Ich bin untröstlich. Ich habe keine Anzeichen dafür gesehen, dass er so etwas tun würde.“ Er habe seinen Neffen nie gewalttätig erlebt oder ein besorgniserregendes Verhalten bei ihm gesehen. „Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen.“ Er beschrieb den jungen Mann als zurückgezogenen Menschen: „Er ist ein ruhiges Kind. Er ist normalerweise allein. Er ist ein einsamer, ruhiger Mensch, er behält alles für sich.“

Verdächtiger postete wohl Gewaltvideos

Der Verdächtige soll laut US-Medien versucht haben, sich einen Namen als Rapper zu machen. Mehrere Social-Media-Konten, von denen anzunehmen ist, dass sie dem jungen Mann zuzuordnen sind, wurden inzwischen gesperrt. In archivierten Versionen sind - anscheinend selbst gedrehte - Videos des mutmaßlichen Schützen zu sehen. Sie wurden unter einem Pseudonym veröffentlicht. Ein etwa vor einem Jahr hochgeladenes Video zeigt einen Comic, in dem mehrere Szenen von Erschießungen zu sehen sind. An einer Stelle liegt ein Schütze in einer Blutlache am Boden, umzingelt von Polizisten mit gezückten Gewehren.

Ein weiteres Video zeigt einen Mann mit bunt gefärbtem Haar und mehreren Tätowierungen, unter anderem im Gesicht. Er ist in einem Raum zu sehen, der wohl ein Klassenzimmer darstellen soll. Gegen Ende des Videos posiert er mit einem Schutzhelm und einer Art Einsatzweste vor einer Tafel. Er hält dabei eine US-Flagge hoch. Ermittler hatten ein Fahndungsfoto des Verdächtigen auf Twitter veröffentlicht. Die Behörden gaben sein Alter zunächst mit 22 Jahren an, in einem FBI-Bulletin hieß es später, er sei 21 Jahre alt.

Verdächtiger wurde bereits am Montag festgenommen

„Ich bin in Highland Park aufgewachsen, und diese Parade ist für so viele Familien ein Höhepunkt des Jahres“, schrieb die US-Schauspielerin Rachel Brosnahan („The Marvelous Mrs. Maisel“) auf Twitter. In ihrer Instagram-Story teilte sie zudem Erinnerungen an ihre Jugend in Highland Park. „Ich habe nie darüber nachgedacht, dass ich dort nicht sicher sein könnte.“

Die USA haben seit langem mit einem gigantischen Ausmaß an Waffengewalt zu kämpfen. Erst Ende Mai richtete ein 18 Jahre alter Schütze an einer Grundschule in Texas ein Massaker an: Er tötete in der Kleinstadt Uvalde 19 Kinder und 2 Lehrerinnen, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Gut eine Woche zuvor hatte ein 18-Jähriger in Buffalo im Bundesstaat New York zehn Menschen erschossen, die Ermittler gehen von einem rassistischen Motiv aus.

Die Amokläufe entfachten die Diskussion über schärfere Waffengesetze neu. In den USA sind Schusswaffen oft leicht erhältlich. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC wurden 2020 landesweit fast 20 000 Menschen erschossen - mehr als 50 pro Tag.

Waffengewalt ist in den USA ein riesen Problem

US-Präsident Joe Biden zeigte sich „schockiert über die sinnlose Waffengewalt, die an diesem Unabhängigkeitstag wieder einmal Trauer über eine amerikanische Gemeinde gebracht hat“. In seiner Mitteilung hieß es: „Ich werde den Kampf gegen die Epidemie der Waffengewalt nicht aufgeben.“ Biden und seine Demokraten fordern seit langem schärfere Waffengesetze. Weitreichende Reformen scheitern aber immer wieder am Widerstand der Republikaner im Kongress und am Einfluss der mächtigen Waffenlobby-Organisation NRA.

Im vergangenen Monat beschloss der Kongress unter dem Eindruck der Amokläufe von Texas und anderer Bluttaten parteiübergreifend ein Gesetz gegen Schusswaffengewalt, das aber weit hinter Bidens Reformvorschlägen zurückblieb. Experten werteten die Verschärfung des Waffenrechts zwar als die wichtigste seit Mitte der 1990er. Das Gesetz ist inhaltlich allerdings nur ein überparteilicher Minimalkompromiss, den Kritiker als völlig unzureichend rügen.

Das von Biden Ende vergangenen Monats unterzeichnete Gesetz sieht eine intensivere Überprüfung von Waffenkäufern vor, die jünger als 21 Jahre sind. Zudem geht es darum, Gesetze aus Bundesstaaten auszuweiten, um potenziellen Gefährdern Waffen abnehmen zu können. Illegaler Waffenhandel soll auf Bundesebene bestraft werden können. Zudem sollen Milliarden in psychische Gesundheitsvorsorge und Anti-Gewalt-Programme fließen. Auch für die Sicherheit von Schulen sind weitere Mittel vorgesehen. Das von Biden und seinen Demokraten geforderte Verbot von Sturmgewehren fehlt in dem Gesetz.

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