Biosphärenreservat Rhön Neue Verordnung in der Kritik

Die im Oktober in Kraft getretene neue Verordnung über das Biosphärenreservat Rhön in Thüringen ist offenbar ohne Berücksichtigung vieler Hinweise aus der betroffenen Region zustande gekommen. Jedenfalls sind die Akteure vor Ort nicht zufrieden und fordern die Rücknahme.

 
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Damals waren sie noch guter Hoffnung, dass die Einwände Gewicht haben: Das Foto zeigt Landräte und Bürgermeister bei der Unterzeichnung der Rhöner Petition im August 2023 in Bad Salzungen. Großer Unmut herrscht mittlerweile aber über die neue Thüringer Biosphärenreservatsverordnung – haben alle Widersprüche und die Petition so gar nichts genützt? Foto: Archiv

Trotz 1400 Widersprüchen und einer Petition von 21 Bürgermeistern und zwei Landräten ist die neue Verordnung des Biosphärenreservates thüringische Rhön mit der Erweiterung der Kern- und Pflegezonen seit 1. Oktober 2024 in Kraft. Nun gibt es Widerstand in den betroffenen Kommunen

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Vor Kurzem hat das grün geführte Thüringer Umweltministerium „kurz vor Schluss die neue Verordnung des Biosphärenreservates Thüringische Rhön beschlossen“, heißt es in einer Pressemitteilung Rhöner Bürgermeister. Damit verdoppele sich hier durch die Stilllegung von etwa 750 Hektar Staatsforst die Kernzone auf rund 3 Prozent. Die Pflegezone werde durch private und kommunale Flächen von 9 Prozent auf jetzt rund 18 Prozent der Gesamtfläche ausgeweitet. „Und das, obwohl länderübergreifend mit hessischen und bayrischen Flächen die Vorgaben zuvor schon mit 12 500 Hektar übererfüllt waren.“

Vor Ort herrscht Unmut über die „ einseitige Vorgehensweise des Umweltministeriums“. Kommunen fordern nun die Rücknahme der neuen Verordnung und beraten aktuell über ein Normenkontrollverfahren. „21 Rhönkommunen, der Wartburgkreis und der Kreis Schmalkalden-Meiningen hatten vor einem Jahr in der Rhöner Petition ganz klar gefordert, dass eine Erweiterung mit kommunalen und privaten Flächen ohne finanziellen Ausgleich nicht akzeptabel ist“, sagt Geisas Bürgermeisterin Manuela Henkel. Laut Verordnung ist in den Pflegezonen unter anderem verboten, bauliche Anlagen neu zu errichten oder bestehende wesentlich zu ändern. Auch für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung gibt es auf diesen Flächen Einschränkungen. „Das beschneidet die Grundstückseigentümer enorm“, betonte Kaltennordheims Bürgermeister Erik Thürmer. Auch die Landwirte und der Thüringer Bauernverband sind mit der Erweiterung der Pflegezone nicht einverstanden. Für die Agrargenossenschaft Rhönperle e.G. in Bremen ergibt sich daraus eine Einschränkung der Bewirtschaftung auf ca. 16 Prozent landwirtschaftlicher Nutzfläche. Weitere Landwirtschaftsbetriebe in der Rhön wären betroffen.

Der Verordnung war ein Beteiligungsverfahren mit Bürgern, Kommunen und Landwirten vorausgegangen. Insgesamt 1400 Stellungnahmen gingen beim Ministerium ein. „Diese sind bisher unbeantwortet geblieben“, stellte Meiningens Bürgermeister Fabian Giesder fest. Obwohl man dies von Seiten des Ministeriums versprochen hatte. Selbst auf der Homepage des Thüringer Umweltministeriums ist nachzulesen: „Jeder Absender und jede Absenderin erhält eine Mitteilung, wie mit der Stellungnahme verfahren wurde.“

Besonders betrifft die Erweiterung der Pflege- und Kernzonen die kleine Rhöngemeinde Birx. „Unser Ort ist damit quasi eingeschlossen und Entwicklungen werden immer mehr erschwert“, sagte Bürgermeister Steffen Hohmann. Dass nun auf der Homepage des Ministeriums von Minister Bernhard Stengele zu lesen ist, dass die Kommunen von Beginn an bei ihrer Regionalentwicklung mit einem Unesco-Siegel unterstützt wurden, sei nicht richtig. Das Biosphärenreservat Rhön wurde 1990 gegründet und 1991 bekam es den Unesco-Titel. Seitdem sei auf thüringischer Seite viel Geld in Natur- und Umweltschutz geflossen. Die Regionalentwicklung werde aber erst seit etwa vier Jahren, etwa zeitgleich mit der Evaluierung der Verordnung, mit dem sogenannten Regionalbudget des Landes unterstützt.

Einschränkungen in der Forstwirtschaft

Mit dem Geld werden vor allen Dingen kleinere touristische Attraktionen vor Ort gefördert. „Dafür sind wir sehr dankbar“, betonte Manuela Henkel. Eine Stärkung der Wirtschaftsförderung und die Umsetzung nachhaltiger Wirtschaft sei vor Ort damit allerdings nicht möglich. „Die Gewerbesteuer aus dem Tourismus liegt in Geisa bei etwa 3000 Euro“, so Henkel. Wanderwege, E-Bushalteanzeigen und Verkaufsautomaten seien tolle Dinge, aber von ihnen könne man in der Region nicht leben. „Ein Positionspapier des deutschen MAB-Nationalkomitees 2021 fordert aber gerade für die Unesco-Biosphärenreservate ertragreiche Wirtschaftsformen und gelingendes gesellschaftliches Zusammenleben zu entwickeln“, erklärte Thomas Kästner, Bürgermeister von Wasungen. „Das ist in den letzten Jahren nicht ausreichend umgesetzt und schon gar nicht finanziell unterstützt worden“, sind sich die Bürgermeister einig. Auch Einschränkungen bei der Forstwirtschaft seien nicht hinnehmbar. „In Laubwäldern dürfen in den Pflegezonen nur noch gebiets- und standortheimische Baumarten eingebracht werden“, so Dermbachs Bürgermeister Thomas Hugk. Wenn weiterhin effektive Waldwirtschaft betrieben werden soll, dann müsse man flexibel sein und trockenresistente Alternativen zulassen. „Durch die Stilllegung von 750 Hektar Staatswald müssen fehlende Hölzer aus anderen Ländern mit niedrigeren Standards importiert werden“, ergänzt Erik Thürmer. Ob das dann nachhaltig ist, sei zu hinterfragen.

Es gibt auch positive Veränderungen in der Verordnung, die die Bürgermeister erzielt haben. So sei es nun endlich doch wieder möglich, in der Kernzone bestehende Wegen zu unterhalten und instandzusetzen. Positiv werten die Kommunen auch, dass in den Pflegezonen der Neu- und Ausbau von Radwegen weiter möglich ist. Ebenso bleibt die Errichtung von Windrädern im Biosphärenreservat verboten. Die Rhön hätte laut den Bürgermeistern das Potenzial, sich zu einer Pilotregion für nachhaltige Wirtschaftsformen und alternative Energieversorgung zu entwickeln. „Wir brauchen auf Dauer angelegte Finanzierungs- und Förderkonzepte für die strukturelle und wirtschaftliche Entwicklung der Region“, so die Bürgermeister: „Was wir nicht brauchen, sind einseitige Entscheidungen über die Köpfe der Gemeinden und Bürger hinweg!“