Bildung Großteil des Digitalpakt-Geldes erreicht Schulen noch nicht

Von Stefan Hantzschmann,
Ein Schüler der achten Klasse tippt in einer Schule auf einem iPad. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Schule in Zeiten der Corona-Pandemie muss auch auf Distanz klappen. Beim Lernen zu Hause sind digitale Lösungen gefragt wie nie. Viel Geld ist dafür in Bewegung. Doch bis es tatsächlich ankommt, vergeht viel Zeit.

 
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Erfurt - Lieferengpässe, aufwendige Abstimmungen und langwierige föderale Prozesse: Viele der Digitalpakt-Millionen sind an Thüringens Schulen noch nicht angekommen. Von den rund 191 Millionen Euro, die der Freistaat ausgeben kann, sind erst 46,1 Millionen Euro bewilligt und verplant, wie aus Daten des Thüringer Bildungsministeriums von Mitte Dezember hervorgeht. Verhältnismäßig schnell wurden dabei jene Gelder bewilligt, die für die Ausstattung von benachteiligten Schülern mit digitalen Geräten wie Tablets und Laptops gedacht sind: Hier ist der gesamte Betrag von 14,7 Millionen Euro bereits gebunden. Ausgegeben und abgerechnet wurden aber erst 1,5 Millionen Euro.

«Was das Land tun kann, wird sehr schnell getan. Aber selbst Geräteanschaffung braucht Zeit. Der Markt ist leergefegt», sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) auf Anfrage. Auch Bildungsminister Helmut Holter (Linke) wies auf Lieferengpässe hin. Allerdings bilde die Zahl der abgeflossenen Mittel auch nicht genau ab, wie viele Geräte bereits angeschafft worden seien. Hintergrund ist, dass Fördergelder erst dann als abgeflossen gelten, wenn alle Rechnungen bezahlt und abgerechnet sind. Aus der Thüringer Staatskanzlei hieß es dazu: «Wenig Mittelabfluss heißt nicht, dass nichts passiert. Es heißt auch nicht, dass alles zu langsam passiert.»

Der Digitalpakt war bereits Mitte Mai 2019 in Kraft getreten. Über das Förderprogramm stellt der Bund den Schulen insgesamt fünf Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung - vor allem für digitale Infrastruktur wie Schul-Wlan. Von den Ländern kommen insgesamt weitere 500 Millionen dazu. Wegen der Corona-Krise wurde der Digitalpakt in diesem Jahr mehrfach um mehrere Millionen Euro erweitert.

132,4 Millionen fließen nach Thüringen

Nach Thüringen fließen bis 2024 rund 132,4 Millionen Euro, die der Freistaat bis 2024 für digitale Infrastruktur und Vernetzung ausgeben kann. Davon sind rund 30 Millionen Euro bewilligt und verplant und rund 3,5 Millionen Euro schon ausgegeben.

Mit Geräten und Wlan ist es in der Regel allerdings nicht getan. Die neue Technik muss gewartet und richtig eingerichtet werden. Über eine andere Erweiterung des Digitalpaktes sollen noch einmal rund 14,7 Millionen Euro nach Thüringen fließen, damit die Schulträger - meist sind das die Landkreise - die Administration der Technik und der Netzwerke organisieren können. Von diesem Geld ist bislang noch nichts verplant. Nach Angaben des Bildungsministeriums sollen aber schon ab Januar Anträge eingereicht werden können.

Rund 7,4 Millionen Euro stehen Thüringen zur Verfügung, um Lehrer im Bereich Digitalisierung fortzubilden und für Projekte wie die Thüringer Schulcloud. Den Daten zufolge sind davon bisher rund 981 000 Euro gebunden und 165 000 Euro tatsächlich geflossen.

Zur Förderung mobiler Leihgeräte für Lehrer hatte das Kabinett noch vor Weihnachten grünes Licht gegeben - auch hier sollen rund 14,7 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Wann die Geräte tatsächlich bei den Lehrern ankommen, ist noch unklar. Für jedes Geld-Paket, das der Bund zur Unterstützung der Länder im Rahmen des Digitalpakts schnürt, müssen alle Länder jeweils eine Vereinbarung unterzeichnen - das dauert. Grund ist unter anderem, dass Bildung in Deutschland ureigene Ländersache ist. Erst wenn alle Unterschriften da sind, kann das Geld abgerufen werden. Doch auch dafür sind Vorschriften nötig, die das Land erstellt und an die Schulträger (in Thüringen sind das meist die Landkreise) weitergibt. Diese müssen das Geld dann beantragen - und dafür meist aufwendige Konzepte erstellen.

«Digitalisierung ist kein Sprint, nicht mal ein Marathonlauf, sondern mindestens ein Ironman», sagte Ramelow. Mal schwimme man, dann fahre man Rad «und am Ende muss man noch eine weite Strecke zurücklegen». Man könne nur beim Radfahren einen schnelleren Gang einlegen und auf Rückenwind hoffen. «Das tun wir, und den Rückenwind geben wir als Land.» Laut Staatskanzlei laufen viele Prozesse parallel - etwa die Abstimmung mit den Kommunen und Schulen -, damit das Geld schneller fließen kann.

Der Chef des Thüringer Lehrerverbandes, Rolf Busch, sagte, dass gerade die Corona-Pandemie zeige, wie sehr man bei der Digitalisierung im Bildungsbereich hinterherhinke. «Die Digitalisierung ist über viele Jahre hinweg verschlafen worden und das rächt sich jetzt ganz bitter», sagte Busch.

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