Biathlon in Scheibe-Alsbach Der Weg zum Weltruf

Jürgen Eckstein
Im Archiv entdeckt: Der Scheibe-Alsbacher Bernd Hellmich meistert bei der DDR-Meisterschaft 1982 in Zinnwald eine Kurve während einer Abfahrt. Foto:  

Seit 160 Jahren wird im kleinen Rennsteig-Örtchen Scheibe-Alsbach organisierter Sport betrieben. Doch erst die Sportart Biathlon machen den Ort, Sportler und Trainer weltbekannt.

 
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Scheibe-Alsbach - In den Gründerjahren des heute als WSV Scheibe-Alsbach bekannten Verein – der erste hieß laut Protokoll aus dem Jahr 1861 „Turn- und Sportverein“ – bestimmten bis nach der Jahrhundertwende um 1900 Leibesübungen, also Turnen, das Geschehen im Verein. Im Jahre 1948 wurde die BSG Traktor Scheibe-Alsbach gegründet. Der Fußball und der Wintersport waren nun die Hauptsportarten. Trägerbetrieb der BSG war der Forst Katzhütte, der damals 500 DDR-Mark in die Vereinskasse spülte. Die heute dominante Sportart Biathlon rückte erst in den 1960er Jahren in den Mittelpunkt und erlebt gut 30 Jahre lang die bisher beste Zeit im Verein. Damals nämlich stand Scheibe-Alsbach durch den dreifachen Olympiasieger, mehrfachen Weltmeister und heutigen Bundestrainer, Mark Kirchner, ständig im Fokus. Bernd Hellmich war indes der erste Weltmeister im Erwachsenenbereich. Er stand in der legendären Goldmedaillen-Staffel der DDR, die 1982 in Minsk Weltmeister wurde. Diese Staffel bestand nur aus Aktiven des ASK Oberhof.

Auch der Fußball, Tischtennis und der Frauensport prägten viele Jahre das Bild des Vereines. Der alte Sportplatz „Am Rußtiegel“ – hier steht heute der Schießstand – wurde in den Jahren 1928 bis 1930 in Eigenleistung gebaut. 1988 wurden die Sporthalle – die ehemalige Brauerei wurde in Eigenleistung um- und ausbaut – sowie der neue Sportplatz der Bestimmung übergeben. Damit waren die materiell-technischen Bedingungen für die Sportler nun sehr gut.

Nach der politischen Wende wurde 1990 der Wintersportverein Scheibe-Alsbach gegründet. Die Biathlon-Anlage „Am Rußtiegel“ wurde gehegt, gepflegt und entsprechend den Möglichkeiten modernisiert. Vor wenigen Jahren wurde die Rollerstrecke eingeweiht. Der WSV wurde zudem vom Deutschen Skiverband schon mehrfach mit der Übernahme eines Deutschen Schüler-Cups beauftragt und für sein großes Engagement in der Vergangenheit und Gegenwart oft mit Lob überhäuft. „Leider haben sich die Zeiten in den letzten Jahren geändert. Freilich haben wir ein Schmuckkästchen mit unserer Biathlonanlage, aber es wird immer schwerer, dies zu erhalten. Zum einen gibt vom Landessportbund und Thüringer Skiverband immer weniger Förderung. Außerdem haben langjährige, verlässliche Sponsoren wie die Sparkasse Sonneberg oder die VR Bank Jena-Gera-Rudolstadt ihr Engagement deutlich zurückgefahren. Nicht zuletzt haben wir auch große Einnahmeverluste, denn seit über einem Jahr konnten wir keine Wettkämpfe ausrichten oder unterstützen, wie zum Beispiel den Rennsteiglauf“, weiß Siegfried Weigelt, der Vorsitzende des Vereins. Erhöhen Landessportbund und Skiverband die Sportförderungen nicht, so „werden wir irgendwann auch ein Breitensportverein und können keinen Nachwuchsleistungssport für unsere Kinder mehr anbieten“, befürchtet der 81-Jährige. Er blickt alles andere als optimistisch in die Zukunft und fügt an: „Die Ergebnisse unserer Thüringer Athleten bei den Weltcups sind seit Jahren rückläufig und müssten für die Verantwortlichen längst ein Alarmsignal sein.“

Dabei können die Scheibe-Alsbacher stolz auf ihre Sportgeschichte zurückblicken. Denn schon in der Zeit von 1947 bis 1952 wurde unter Anleitung von Kurt Weigelt und Albin Heß sehr gut trainiert. Schon damals überzeugten neben den älteren Sportfreunden wie Wunibald Böhm, Rudi Kirchner, Gerd Weigelt, Werner Greiner, Gerhard Weigelt, Lothar Ullrich, Harry Müller und Wilhelm Barthelmann auch die Schüler und Jugendlichen mit ihren Leistungen bei regionalen Wettkämpfen. Nicht selten waren da Namen wie Albin Fuchs, Horst Nestler, Sepp Langmann, Titus Kröpfel, Hans-Heinz Hofmann, Franz Hellmich, Walter Gottschalk, Siegfried Weigelt und Manfred Heine in den Siegerlisten zu lesen. Als Sprungschanzen waren die Naturschanzen oberhalb von Bock und unterhalb von Höhnschuster genutzt worden. Die Schanzen sprungfähig zu machen, dauerte aber oftmals länger als das Training.

In den Jahren von 1950 bis 1953 wurde unterhalb der Massermühle eine weitere Schanze gebaut. Den Schanzenrekord hält hier Franz Knappe mit 53 Metern. Bis zum Jahr 1959 wurde in Scheibe-Alsbach der Nordische Skisport betrieben. Durch das altersbedingte Ausscheiden der Übungsleiter Kurt Weigelt und Albin Heß kam der Wintersport jedoch nahezu für zwei Jahre zum Erliegen.

Als 1961 die GST (Gesellschaft für Sport und Technik) mit dem Militärischen Wintermehrkampf begann, war der Startschuss für den Biathlonsport in Scheibe-Alsbach gegeben. Das zentrale GST-Lager bot günstige Voraussetzungen für des Betreiben des Militärischen Mehrkampfes, der durch Karl-Heinz Wedemeyer und Otto Kauschmann tatkräftige Unterstützung fand. Während der Ski-Patroullienlauf als der Vorläufer des Biathlonsportes gilt, war es in Scheibe-Alsbach der Militärische Mehrkampf. Im regelmäßigen Training standen damals sechs Männer und zehn Jugendliche. In der Verbindung Langlauf, Schießen, Keulenzielwurf, topografische Aufgaben und Verletztentransport holten Alfred Mahn, Siegfried Weigelt und Hans Kröpfel 1961 die ersten Bezirksmeistertitel.

Der Biathlonsport wurde aber erst 1963 richtig aus der Taufe gehoben. Nach mehreren Aussprachen mit der Sportmannschaft in Oberhof, mit Kuno Werner, Paul Höckel und Günter Deinert, kam es zur Gründung des Trainingszentrums (TZ) Scheibe-Alsbach. Die engagierte Arbeit der TZ-Leiter Karl-Heinz Wedemeyer, Wolfgang Etzold, Manfred Baum, Rainer Klett sowie Detlef Besekow waren ein Mosaikstein der bisherigen Erfolge.

Durch die finanzielle und materielle Unterstützung des Zentralvorstandes der GST waren beste Bedingungen für die kontinuierliche Entwicklung des Biathlonsportes gegeben. Schon damals war Scheibe-Alsbach Austragungsort von DDR-Jugendmeisterschaften, Schülermeisterschaften, Pokalwettkämpfen, Bezirks- und Kreismeisterschaften. Neben niveauvollen Veranstaltungen waren die Scheibe-Alsbacher schon damals erstklassige Gastgeber.

Der Biathlonsport entwickelte sich in Scheibe-Alsbach immer schneller, und es kamen neue Übungsleiter wie Tilo Richter, Siegfried Keller, Mario Kühnlenz, Hartmut Koch, Hans Kröckel und Rainer Wachsmuth hinzu, die durch ihren enormen Einsatz eine wesentliche Grundlage für die stetige Entwicklung schufen. 1967 wurde Uwe Kirchner als erster Sportler zur Sportmannschaft Biathlon delegiert. Er war auch der erste Scheibe-Alsbacher Sportler, der DDR-Meister (Juniorenstaffel) wurde. Erster DDR-Meister bei den Schülern (1968) und erster Spartakiadesieger für Scheibe-Alsbach wurde Günther Kirchner, der gemeinsam mit Wolfgang Hellmich 1970 zur KJS (Kinder- und Jugendsportschule) nach Zella-Mehlis delegiert wurde.

Die Entwicklung im Biathlon im Allgemeinen verlangte nach neuen Strukturen, und so wurde das TZ Scheibe-Alsbach dem ASK Vorwärts Oberhof angeschlossen. Seitdem wurden auch die Orte Siegmundsburg, Goldisthal und Katzhütte in die Arbeit des TZ mit einbezogen. In den ersten 15 Jahren seit Gründung wurden 24 Sportler an die KJS delegiert, sechsmal wurde das TZ bestes Leistungszentrum. Viele DDR-Meistertitel und Spartakiade-Medaillen errangen die Scheibe-Alsbacher Athleten.

Den absoluten Höhepunkt schuf Andreas Heß im Jahr 1978 bei der Junioren-WM in Hochfilzen (Österreich), als er Weltmeister wurde. Dieser WM-Titel verhalf dem Ort Scheibe-Alsbach zu neuem Ansehen, und der Biathlonsport bekam durch die übergeordneten Stellen noch mehr Anerkennung. Mit dem sportlichen Aufschwung entwickelte sich auch das Vereinsleben analog. Die ganze Gemeinde mit den Bürgermeistern Emil Lindner und später Rolf Gebhardt war stolz auf die Ergebnisse der Sportler.

Bernd Hellmich trat in die Fußstapfen von Andreas Heß. Bei der Junioren-WM in Sarajewo (Slowenien) holte er zweimal Gold. Hellmich stand auch in der legendären Oberhofer Vereinsstaffel mit Frank Ullrich, Mathias Jung und Matthias Jacob, die 1982 in Minsk bei der WM für die DDR den Titel holte. Scheibe-Alsbach und der Biathlonsport – dies waren fortan zwei Namen, die zusammen gehören. Biathlon war seither wohl der wichtigster Bestandteil im gesellschaftlichen Leben der Gemeinde. Und es ging weiter – nur in eine Richtung.

Die materiell-technische Basis wurde in den 1980er Jahren in Angriff genommen. Mit Mitteln des Rat des Kreises, mit großer Unterstützung durch den Talsperrenbau und dem Forst wurde in Eigenleistung der Umbau der alten Brauerei in eine Turnhalle, aber auch der Umbau des Schießstandes und der Strecken vorgenommen. Die Zahl der an die KJS Delegierungen bis zur politischen Wende erhöhte sich auf 24 Sportler. Als Trainer und Übungsleiter fungierten die verdienstvollen Sportfreunde Tilo Richter, Siegfried Keller, Torsten Weigelt, Rainer Wachsmuth, Renato Hofmann, Hartmut Koch und Sylke Seifert. wird fortgesetzt

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