Biathlon: Arnd Peiffer im Interview „Ich freue mich auf Weihnachten“

Erfolgreich, meinungsstark, sympathisch: Arnd Peiffer, hier bei einem Auftritt vor zwei Jahren im „Aktuellen Sportstudio“. Foto: Martin Hoffmann

Über ein Jahrzehnt lang Weltspitze: Im Jahr 2009 schafft Arnd Peiffer den Durchbruch, zählt fortan zu den großen Stützen im deutschen Biathlon-Männer-Team. Nun, zwölf Jahre später, beendet er seine erfolgreiche Karriere. Im Interview mit unserer Zeitung blickt der 34-Jährige zurück auf erfolgreiche Zeiten, ebenso auf weniger schöne Dinge im Sport, erklärt die Beweggründe für seinen „heimlichen“ Rücktritt und gewährt Einblick in seine Zukunftspläne.

 
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Herr Peiffer, wie lebt es sich im Biathlon-Ruhestand?

Noch fühlt es sich an wie Urlaub. Anders wird es dann im Mai sein, wenn die Vorbereitung wieder beginnt, wenn ich wieder anfangen müsste. Ja, ich muss mich an mein neues Leben erst noch gewöhnen. Aber die Entscheidung fühlt sich richtig an.

Haben Sie Angst vor dem großen Loch ab Mai? Oder sind Sie froh, dass Sie raus sind aus dem Hamsterrad Leistungssport?

Ich glaube, im Mai freue ich mich mehr. Der Mai war immer ein sehr anstrengender Monat. In allem, was man macht, ist man schlecht. Ob Radfahren, ob Kraftraum. Der Mai war die Zeit des Muskelkaters. Ich werde den Biathlonsport erst im Winter mehr vermissen, wenn ich die Rennen im Fernsehen sehe. Aber das wird mir bestimmt mit 45 oder 50 auch so gehen. Wenn ich es gar nicht vermissen würde, hätte ich was falsch gemacht. Wie schon gesagt. Ich bin mit mir im Reinen.

Was wird Ihnen am meisten fehlen?

Das Team werde ich vermissen, das gemeinsame Erleben, das gemeinsame Training. Als Leistungssportler hat man das Privileg, sich voll auf eine Sache konzentrieren zu können. Zeit für das sportliche Optimum zu haben, davon träumt jeder Hobbysportler.

Was werden Sie nicht vermissen?

Vor allem das ständige Unterwegssein. Ich habe viele Jahre lang nur aus der Tasche gelebt, sie stand praktisch immer gepackt im Flur. Immer auf dem Sprung zu sein, immer wieder los zu müssen, das war schon hart, gerade als Familienvater. Auch ein paar lästige Kleinigkeiten wie das ADAMS-System (Anm. d. Red.: Das Anti-Doping Administration and Management System, hier müssen die Kadersportler stets Orts- und Zeitangaben von Übernachtungen, Wettkämpfen, Trainingseinheiten, Urlauben sowie von regelmäßigen Tätigkeiten wie Schule oder Arbeit machen) fallen nun weg. Außerdem freue ich mich schon jetzt auf Weihnachten in Ruhe und mit Gelassenheit. Als Wintersportler hast du nie etwas von diesem Fest. Am 24. Dezember trainierst du noch, und spätestens am 27. Dezember musst du schon wieder los zum Schneetraining.

Wie sind Ihre beruflichen Planungen? Bleiben Sie bei der Bundespolizei?

Das wäre eine Option, und ein Auswahlverfahren für den gehobenen Dienst habe ich bestanden. Die Bundespolizei ist mein Arbeitgeber und somit mein erster Ansprechpartner. Aber es laufen auch noch andere Gespräche.

Haben Sie sich eine Frist für die Entscheidung gesetzt?

Ein bisschen Luft brauche ich schon, zumal ich ja richtig abtrainieren muss. Sicherlich mache ich mal ein Praktikum, was ja bislang schwer möglich war. Bis Ende des Jahres möchte ich Klarheit haben.

Trainer wollen Sie ja nicht werden. Wie wäre es mit Lehrer? Sie sind schlau, ruhig, intelligent, reflektiert, redegewandt.

Als Lehrer sehe ich mich nicht, das habe ich überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Cool wäre eine Mischung aus Natur, Büro und etwas mit Menschen. Im stillen Kämmerlein möchte ich nicht sitzen. Eine Option ist auch ein duales Studium.

In welche Richtung?

Betriebswirtschaft.

Bei der ARD wird neben Kati Wilhelm der Expertenplatz von Magdalena Neuner frei. Würde Sie das reizen?

Grundsätzlich schon, zumal der zeitliche Aufwand überschaubar ist. ARD und ZDF teilen sich die Übertragungen und bei der ARD wäre es noch mal aufgeteilt. Es bleibt also ein Viertel, ein überschaubares Maß. Das wäre eine schöne Nebentätigkeit, aber kein Beruf.

Unabhängig von Corona: Gibt es einen Wunsch, den Sie sich in der aktiven Zeit nie erfüllen konnten? Eine Weltreise? Oder ins Himalaja-Gebirge?

Ich habe nicht ganz so große Träume. Mal im Sommer für mehrere Wochen nach Skandinavien in eine schöne Hütte oder, noch lieber, im Winter. Ich bin wahnsinnig gern auf Ski unterwegs, aber ab sofort nur noch im Freizeitcharakter. Diverse Volksläufe reizen mich nicht.

Läuft Ihre Frau auch gern Ski?

Ja, das passt schon. Die Langlaufleidenschaft ist auch bei ihr ausgeprägt.

Hand aufs Herz: Ihr Abschied war seit dem Herbst besiegelt. Wie schwer war es, das Ansinnen nicht nach außen zu tragen? Und warum haben Sie sich dafür entschieden?

Ich konnte so die Saison viel mehr genießen. Andersherum wäre ich regelmäßig gefragt worden, nach Oberhof, nach Antholz, nach der WM. Ich wollte ganz bewusst keine Abschiedstour machen, sondern eine ganz normale Saison mit meinen eigenen sportlichen Ansprüchen. Ganz wichtig war mir dabei, konkurrenzfähig zu sein und aufs Podium zu kommen. Das war für mich immer der Gradmesser. Dass mir das noch einmal gelungen ist, war ein total schönes Gefühl. Vielleicht wäre mir das auch noch ein, zwei Jahre gelungen. Aber eben nur vielleicht.

Deutschland ist ein Biathlon-Land, die Erwartungshaltung ist, wie die aktuelle Saison gezeigt hat, immer sehr groß. Mitunter zu groß?

Das war schon immer so. Auch nach den Winterspielen 2010 in Vancouver oder der WM 2013 in Nove Mesto, als die Ergebnisse nicht so kamen, wurde Kritik laut. Ich kenne das nicht anders. Allerdings: Es hat sich etwas verändert im Vergleich zu vor 15 Jahren. Wir haben angesichts des Klimawandels schlechtere Voraussetzungen, konkret weniger Schnee. Und die anderen haben seither mehr investiert, arbeiten viel professioneller als früher. Man muss nur schauen, welchen Rückstand der 60. vor 15 Jahren hatte. Deshalb ist es Quatsch, den alten Zeiten hinterherzutrauern. Es waren einfach andere Zeiten. Trotzdem müssen wir uns in vielen Bereichen verbessern.

Wo?

Unsere Schießquote ist zu schlecht, und auch das Training müssen wir optimieren. Es wurde zuletzt viel getan, es gibt zum Beispiel neue Reize durch einen neuen Schießtrainer. Aber das ist ein Prozess, und da benötigt man Geduld. Ja, die Saison ist nicht optimal verlaufen, aber wir hatten auch etwas Pech. Philipp Horn war in einer guten Form. Ein falscher Corona-Test hat ihn anfangs gestoppt, und dann ist er nicht mehr richtig in die Gänge gekommen. Johannes Kühn und Philipp Nawrath waren im Herbst noch verletzt.

Viele sehen auf Biathlon-Deutschland, verstärkt durch Ihren Rücktritt, schwere Zeiten zukommen? Sie auch?

Ich sehe nicht ganz so schwarz. Jetzt ist oben wieder ein Platz frei. Wir haben einige Leute, die auf dem Sprung sind.

Was hat Ihnen die aktive Biathlonzeit gegeben? Was bleibt?

Dankbarkeit, so lange dabei gewesen zu sein. Dankbarkeit für eine total schöne Zeit, für tolle Erfolge und krachende Niederlagen. Und: Ich gehe ohne Verletzungen. Ich bin fit, ich fühle mich gut, habe nirgendwo Schmerzen. Der Sport prägt jeden Menschen. Man lernt, mit Niederlagen umzugehen; man lernt, sich zu quälen, gegen Widerstände zu kämpfen. Aus Sport nimmt man viel Gutes fürs Leben mit.

Und was war weniger schön?

Doping ist eine Kehrseite des Leistungssports. Dass mit Verspätung rauskommt, dass Konkurrenten betrogen haben, ist natürlich happig. Da muss man aufpassen, dass man nicht paranoid wird, dass man nicht hinter jeder guten Leistung Betrug vermutet. Es werden nie alle sauber sein. Einen gewissen Prozentsatz, der betrügt, hat man immer. Manche können nicht einsehen, dass andere besser sind.

Was würden Sie Kindern und Jugendlichen von heute mit wenigen Worten mit auf den Weg geben?

Sie sollen den Spaß am Sport nicht verlieren. Viele sind sehr früh sehr leistungsorientiert unterwegs. Ich bin bis 16 zum Training gegangen, weil ich Lust und Spaß darauf hatte. Der Optimierungswahn kommt später. Manche sind heute schon mit 16 Vollprofi und haben dann plötzlich keine Lust mehr.

Oberhof war rund zehn Jahre Ihr Lebensmittelpunkt. Eine gute Entscheidung?

Eine super Entscheidung. 2008 bin ich in die Gruppe nach Thüringen gekommen. Alles war damals und heute sehr strukturiert, aber es war anfangs auch sehr hart. Von Sonntag bis Freitag ging es richtig zur Sache, am Freitag war ich komplett kaputt. Am Wochenende bin ich nach Hause gefahren, am Montag ging es wieder los. Es gab aber auch welche, die bereits in der Woche schlappgemacht haben.

Harz, Thüringen, Bayern: Seit drei Jahren ist Holzkirchen in der Nähe von München Ihre Heimat. Sind Sie schon ein halber Bayer?

Der Harz ist meine Heimat, da komme ich her. Es gibt überall nette Leute, ob in Niedersachsen, Thüringen oder Bayern. Für mich hat das Ost-West-Thema nie eine große Rolle gespielt. Zum Glück ebbt die Diskussion immer mehr ab.

Als Modellathlet würden Sie in Lederhose oder Tracht ein fesches Bild abgeben. Besitzen Sie schon bayerisches Kulturgut?

Nein. Und ich werde auch nicht bairisch reden. Da kann ich nicht aus meiner Haut. Ich bin und bleibe Niedersachse.

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