Sorge um medizinische Versorgung Erst beklatscht, jetzt droht Bußgeld

Die Impf Foto: picture alliance/dpa/Moritz Frankenberg

Gefährdet die Impfpflicht im Gesundheitswesen die medizinische Versorgung in Schmalkalden? Das ist eine Sorge, mit der sich jetzt Beschäftigte verschiedener Einrichtungen an Schmalkaldens Bürgermeister. Thomas Kaminski bietet Gespräche an.

 
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Wenn der Stadtrat, in der Regel ist das einmal im Monat, zusammenkommt, bleiben die Damen und Herren meist unter sich. Das Interesse der Öffentlichkeit an den Sitzungen hält sich in Grenzen. Erst recht, seit das Parlament von Schmalkalden nach Wernshausen umgezogen ist. Aus dem Rathaussaal in das Bürgerhaus Werra-Aue, wo die Räte – coronabedingt – auf Abstand gehen können.

Zur jüngsten Ratssitzung allerdings waren alle Stühle, bestimmt für das Publikum, besetzt. Zumindest bis zum Ende der Einwohnerfragestunde. Etwa 15 Beschäftigte aus dem Elisabeth Klinikum Schmalkalden, dem MVZ Medizinischen Versorgungszentrum, aus Pflegeheimen und der Blindeninstitutsstiftung waren gekommen, um angehört – und wahrgenommen zu werden. Die seit dem 16. März geltende Corona-Impfpflicht in Einrichtungen des Gesundheitswesens hatte die Frauen und Männer mobilisiert. Weil sie um die ambulante und stationäre Versorgung der Menschen in Schmalkalden fürchten. Existenzielle Fragen haben, auch, aber nicht nur zu ihrer eigenen beruflichen Zukunft.

Fünfseitiger Brief

454 Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen hatten bereits im Februar vor gravierenden Versorgungslücken im Landkreis Schmalkalden-Meiningen gewarnt, sollte an der einrichtungsbezogenen Impfpflicht (IP) festgehalten werden. Ihre kopierten Berufsurkunden hatten sie Landrätin Peggy Greiser übergeben. Es sind die Urkunden von 164 Pflegekräften, neun Ärzten und Zahnärzten, 61 Zahnarzt- und Arzthelferinnen, Medizinisch-technischen Assistenten und Radiologieassistenten, 15 Rettungsassistenten und Notfallsanitätern, 40 Betreuer in Altenheimen und Behindertenwerkstätten, fünf Hebammen, drei Psychologen, 74 Therapeuten, sechs Heilpraktiker und Osteopathen, 17 Erziehern, Sozial- und Medizinpädagogen sowie Praxisanleitern, zwei Podologen, 32 Verwaltungsmitarbeitern und 26 Beschäftigten in versorgenden Bereichen wie Orthopädieschuhmacher, Augenoptiker oder Betriebshandwerker. In einem fünfseitigen Brief an die Landrätin hatten die Initiatoren Roland Cuvé und Ilka Förster auch Fragen gestellt. Zum Beispiel, ob Nicht-Geimpfte um ihren Job fürchten müssen (wir berichteten).

Viele Fragen

Drei Monate später stellte Conny Wolf-Kropp im Schmalkalder Parlament ähnlich lautende Fragen. Denn nun hat die IP Gesetzeskraft erlangt, am 19. Mai bestätigt durch den Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts. Vordergründig gerichtet sind die Fragen an den Bürgermeister, der auch im Aufsichtsrat des Elisabeth Klinikums sitzt, wie die Stadträte Stephan Danz (SPD) und Jan Abicht (AfD).

„Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Umsetzung der IP auswirken?“, wollte die Schmalkalderin im Namen betroffener Kolleginnen und Kollegen wissen. Schon jetzt sei das Personal knapp und diejenigen, die durchhalten, arbeiten am Limit. „Ist Ihnen bekannt, dass es schon eine Abwanderung von Personal in andere Berufsgruppen gibt, beziehungsweise die Ankündigung, sollten Bußgelder verhängt werden?“, fragte Wolf-Kropp weiter. „Ist Ihnen bekannt, dass sich Auszubildende informieren, in welchem Land sie ihre Ausbildung ohne Auflagen“ beenden können?“ Dass es jetzt schon schwierig ist, Termine für Untersuchungen, Operationen und Therapeuten zu bekommen? „Ist Ihnen bekannt, dass im Elisabeth Klinikum Betten stillgelegt werden, weil Personal fehlt?“ In einer Facharztpraxis sei die Hälfte des Personals von der Umsetzung der IP betroffen, berichtet Wolf-Kropp. Vor zwei Jahren sei für die Mitarbeiter in Kliniken und Pflegeheimen geklatscht worden, rief die Sprecherin in Erinnerung. Niemand habe gefragt, ob ausreichend Schutzkleidung vorhanden sei, ob die Beschäftigten Angst vor einer Infektion haben oder ob sie verletzliche Gruppen gefährden. Jetzt werde das gleiche Personal mit einem Bußgeld belegt wird, „weil es eine staatlich angeordnete Maßnahme nicht mehr haben möchte“, kritisierte Wolf-Kropp.

In der Verantwortung von Bürgermeister und Aufsichtsrat liege es, wie mit den ungeimpften Beschäftigten umgegangen wird – und dass das Elisabeth Klinikum arbeitsfähig bleibt. „Wie versuchen Sie, Einfluss auf die Landrätin und das Gesundheitsamt zu nehmen, dass keine Bußgeldbescheide ausgestellt werden?“, wollte Wolf-Kropp wissen. „Was tun Sie dafür, dass die Beschäftigten ihren Beruf nicht aufgeben und die Versorgung der Menschen sichergestellt ist?“

Der Bürgermeister versicherte, dass weder ihm noch der Landrätin die von der IP betroffenen Beschäftigten gleichgültig wären. Die von Conny Wolf-Kropp benannten Probleme seien dem Aufsichtsrat des Elisabeth Klinikums bekannt – und bewusst. „Wir wollen und dürfen niemanden verlieren“, betonte Kaminski. Leider verursache das Thema Impfpflicht auf allen Ebenen Misstrauen, bedauerte der Stadtchef. Die vom Bund geschaffene Gesetzeslage wollte Kaminski nicht bewerten. Die Situation sei aber schon schwierig, räumte er ein. Aus Gründen der Verschwiegenheit könne nicht mehr zu dem Thema sagen, bat der Bürgermeister um Verständnis.

Ganz mit leeren Händen fuhren die Gäste aber nicht nach Hause. Das von Thomas Kaminski unterbreitete Angebot, sich zusammenzusetzen, miteinander zu reden und nach Lösungen zu suchen, nahmen sie gern an. Sylvia Kössel, Stadträtin in der Fraktion SPD/Bündnis 90/Die Grünen erklärte sich als Ansprechpartnerin bereit, den Kontakt herzustellen. Jan Abicht von der AfD kündigte an, die Sorgen der Beschäftigten auch im Kreistag zu thematisieren.

Wie das Landratsamt in Meiningen auf Nachfrage der Redaktion erklärte, seien bisher noch keine Bußgeldbescheide erlassen worden. Auch habe die IP weder im Elisabeth Klinikum, noch im MVZ und Seniorenpark zu Kündigungen geführt, weder arbeitgeber- noch arbeitnehmerseitig. In Kürze würden aber alle Personen, die bis zum Stichtag 15. März nicht geimpft waren, vom Gesundheitsamt angeschrieben.

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