Besuch in Schleusingen Habeck: Das Schlimmste kommt erst noch

Unternehmen und Verbraucher müssen sich auf eine längerfristige Gaskrise und höhere Preise einstellen, ohne dass ihnen die Bundesregierung generell helfen kann. Diese Botschaft brachte Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck bei seinem Besuch in Schleusingen mit. Für die Wirtschaft komme die eigentliche Energiekrise erst noch. Rufe aus Kreisen von Gegendemonstranten, doch nun Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, lehnte der Grünen-Politiker erneut ab.

 
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Die Politik wird den energieintensiven Industrien spürbare Mehrbelastungen durch die Gaskrise nicht ersparen können. Das machte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag bei einem Besuch im Wiegand-Glaswerk in Schleusingen (Kreis Hildburghausen) deutlich. Unternehmen hätten ebenso wie die und Verbraucherinnen und Verbraucher hätten eine harte Last zu tragen, sagte Habeck nach einem Rundgang durch die Flaschenproduktion in dem Schleusinger Werk. Ursache sei der russische Angriffskrieg.

Eine Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland lehnte Habeck erneut ab. Dies sei keine Option. Für die Leitung liege keine Zulassung vor. Deutschland habe sich von einem Russland abhängig gemacht, das bei Gaslieferungen mit „schreiender Willkür“ agiere, daher könne man darauf keine Versorgungssicherheit aufbauen. „Würden wir Nord Stream 2 in Betrieb nehmen, gäben wir unser Ziel auf, unsere Werte zu achten und unabhängig zu werden von solch einem problematischen Land wie Russland.“ Verbraucher müssten über sozialpolitische Maßnahmen entlastet werden, und man müsse die Energieversorgung zunächst in Richtung alternative Gasquellen und dann zu anderen Energieformen umstellen, so der Vizekanzler. Dabei machte er klar, dass sich die Situation noch weiter zuspitzen werde: „Die Energiekrise kommt ja erst noch auf die Wirtschaft zu.“

Der Ruf nach Nord Stream 2 war zuvor aus den Reihen der rund 100 Demonstranten erhoben worden, die sich vor dem Werkstor  versammelt hatten.  Unternehmenschef Oliver Wiegand selbst leitete ihn  an Habeck weiter. „Wenn man dadurch das Angebot  erhöht, sinkt der  Preis und wir hätten vielleicht keinen kalten Winter“, sagte Wiegand, fügte aber  hinzu: „Wir sollten uns nicht einem totalitären System unterwerfen.“ Daher sei es richtig, wie die Bundesregierung handele.

Seine Klagen über  Fachkräftemangel und überlange Genehmigungsverfahren, die noch zu der „erdrückenden Inflation“ und der drohenden Rezession hinzukämen,  fanden bei Habeck Gehör. „Diese Probleme sind zu lange vernachlässigt worden und müssen nun gelöst werden“, sagte der Grünen-Politiker und forderte in diesem Zusammenhang die EU-Kommission auf, die Staatshilfen für energieintensive Firmen über den September hinaus zu verlängern und die Voraussetzungen für diese Zuschüsse  zu lockern.

Wiegand  betreibt  Glaswerke in Südthüringen und Oberfranken mit insgesamt 2000  Mitarbeitern. Die Fabrik  in Schleusingen produziert nach Firmenangaben täglich 3,6 Millionen Flaschen und Gläser und verbraucht dafür rund 80 000 Kubikmeter Gas.  Firmenweit schätzt Wiegand   die Mehrbelastung durch steigende Gaspreise auf  100 Millionen Euro jährlich. Man habe    selbst  Preise erhöhen müssen, aber das habe Grenzen.

Wiegand bereite  sich darauf vor, spätestens im November Gas teilweise durch Öl ersetzen zu können. Der  erforderliche Umbau von Anlagen und Logistik  dauere aber und sei enorm aufwendig, die weitere Preisentwicklung sei offen. „Die Angst in der Belegschaft ist groß“, sagt ein Mitarbeiter.  Im Werk Großbreitenbach ist bereits eine Schmelzwanne auf Heizöl umgestellt worden. Nach Angaben  von Christiane Nelles vom Verband der  Glasindustrie ist dies aber nur in den wenigsten Unternehmen der Branche möglich.

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