Bestsellerautor Sebastian Fitzek„Gruselige Orte regen meine Fantasie an“
Tanja Liebmann-Décombe 26.10.2024 - 06:00 Uhr
Kürzlich ist er 53 Jahre alt und zum fünften Mal Vater geworden. Jetzt legt der Sebastian Fitzek mit einem neuen Gesellschaftsspiel und einem neuem Thriller nach.
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Sebastian Fitzek gehört zu den bekanntesten Autoren Deutschlands. Seine Psychothriller landen regelmäßig auf den Bestsellerlisten, inzwischen sind es 20 Millionen verkaufte Exemplare weltweit. In dieser Woche erschien „Das Kalendermädchen.“ Spielefans können mit „Sebastian Fitzek – Underground“ versuchen, einem Killer unter der Erde zu entkommen.
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Herr Fitzek, worum geht es in „Sebastian Fitzek – Underground“?
Um die Flucht vor einem Killer in einem verlassenen U-Bahnhof. Die Spielerinnen und Spieler müssen als Team versuchen, den Ausgang zu erreichen.
Wie oft haben Sie es hinausgeschafft?
Hm, das kann ich an einer Hand abzählen.
Ein nicht leicht zu gewinnendes Spiel?
Na ja, es gibt unterschiedliche Schwierigkeitsstufen – und die schwierigen Level sind wirklich nicht ohne.
Was ist denn das Schwierige?
Wir legen abwechselnd und als Team Plättchen übereinander und versuchen, Stück für Stück nach oben zum Ausgang zu gelangen. Wir haben allerdings das Problem, dass uns Wasser den Weg versperren kann. Am Ausgang brauchen wir außerdem einen Code, den wir zuvor knacken müssen. Das Ganze müssen wir unter Zeitdruck schaffen.
Hört sich spannend an.
Das Herzklopfen, das die Leserinnen und Leser bei meinen Büchern haben, wird hier in der Gemeinschaft, am Spieletisch, erlebt.
Glück oder Können – was überwiegt?
Es kommt auf das Team an. Aber mit fortschreitender Zeit überwiegt das Können.
Der Autor des Spiels ist Marco Teubner. Wie viel steckt von Ihnen drin?
Man muss sich die Aufgabenteilung vorstellen wie zwischen einem Romanautor und einem Drehbuchautor. Ich schreibe die Geschichte, die dann in ein anderes Format transportiert werden muss – nämlich in ein Spiel. Den Transport verantwortet Marco Teubner, der quasi das Drehbuch schreibt.
Würde Sie seine Rolle reizen?
Nein, ich bin Impulsgeber. Ich mache zwar Vorschläge und wir sind im Austausch. Marco Teubner hat ein unglaubliches Wissen. Er hat das über Jahrzehnte erworben. Ich will mir nicht anmaßen, dass ich das einfach so könnte. Spieleerfinder ist ein eigener Beruf.
„Sebastian Fitzek – Underground“ ist das dritte große Spiel, das Sie mit Teubner realisiert haben. Warum ist bisher nie ein Buch zum Spiel erschienen?
Unser Ziel ist es immer, dass die Spiele eigenständig sind. Sie sollen keine Werbeartikel zu einem Buch sein. Beim zweiten Spiel „Sebastian Fitzek – Killercruise“ gibt es zwar eine gewisse Verbindung zu meinem Buch „Passagier 21“. Das war aber unbeabsichtigt.
Wie kamen Sie auf die Idee zu ihrem aktuellen Spiel?
Ich erkunde zwar keine Lost Places, denn dazu bin ich ein zu großes Weichei. Ich interessiere mich aber dafür und finde es immer wieder faszinierend, wenn ich im Rahmen von Interviews oder Fotoaufnahmen an so morbiden, verfallenen und gruseligen Orten bin. So ist quasi meine Fantasie angeregt worden, daraus ein Spiel zu machen.
Und warum haben Sie aus der Idee kein Buch gemacht?
Das habe ich aus dem Bauch heraus entschieden. Meistens habe ich eine Idee und denke sofort an ein Buch, weil ich im Kern natürlich Autor bin – aber eben nicht immer. Bei „Auris“ hatte ich sofort die Idee „Hey, das wäre ein cooles Hörspiel“ und ich habe mich dann genau darauf konzentriert und Vincent Kliesch hat das Buch geschrieben.
Was war Ihnen bei der Umsetzung von „Underground“ wichtig?
Ich wollte, dass die Spielerinnen und Spieler einen gemeinschaftlichen Druck empfinden. Ich habe Marco auch gesagt, dass ich es schön fände, wenn wir es optisch hinkriegen könnten, dass wir von unten nach oben – also zum Ausgang hin – wachsen.
Sind Sie mit der Umsetzung zufrieden?
Sehr! So soll das auch sein, denn mein Credo ist: Ich veröffentliche ein Buch oder ein Spiel erst, wenn ich voll und ganz dahinterstehen kann. Das war auch bei „Safehouse“ und „Killercruise“ so. Es waren immer gelungene Gemeinschaftsprojekte – auch zusammen mit meinem Freund Jörn Stollmann, der für die Illustrationen verantwortlich zeichnet.
Mehrere Personen brachten also ihre Ideen ein?
Genau. Und das können auch mal nicht so zündende sein. Bei „Killercruise“ hatte ich die Idee, in den Spieledeckel Wasser reinzulassen. Aber alle waren sich einig, dass das eine zu große Sauerei werden würde.
Egal ob Buch, Hörspiel oder Spiel: Was treibt Sie an?
Es reizt mich, Menschen in Welten zu entführen, die sie zwar kennen, aber die sie noch nie besucht haben. Ich nenne das den Tiefsee-Effekt: Jeder hat eine diffuse Vorstellung von „dort unten“, aber die wenigsten von uns waren dort. Das sind die Welten, die mich reizen. Ferner mag ich es, wenn das Grauen langsam in eine schöne Welt einzieht.
Fahnder, Detektive oder andere Profis lassen Sie eher außen vor. Mit Absicht?
Ja, denn ich liebe es, wenn Menschen, die nicht darauf trainiert sind, mit Gewalt umzugehen, sich auf einmal in einer Situation wiederfinden, für die sie nicht ausgebildet sind. Deswegen schreibe ich in der Regel auch keine Ermittlerkrimis.
In dieser Woche ist ihr Buch „Das Kalendermädchen“ erschienen. Im Mittelpunkt steht eine Mutter, die versucht, das Leben ihres Adoptivkinds zu retten. Wie kamen Sie darauf?
Es gab mehrere Impulse. Zum einen ist ein guter Freund von mir Adoptivvater. Durch ihn habe ich einen Einblick in das ganze Adoptivprozedere bekommen. Zudem habe ich von der Tradition des lebendigen Adventskalenders gehört. Das ist eine Tradition, die es in einigen kleineren Gemeinden in Deutschland gibt. Das bedeutet, dass man sein Fenster weihnachtlich schmückt und damit der Gemeinschaft signalisiert: Ich habe Tag der offenen Tür, ihr könnt alle kommen und wir feiern gemeinsam Advent.
Im Buch geht es auch um das Thema Knochenmarkspende. Warum?
Ich bin selbst bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei registriert und habe schon häufig dazu aufgerufen, sich typisieren zu lassen. Das Adoptivkind im Buch ist lebensgefährlich erkrankt und benötigt eine Spenderin oder einen Spender.
Die Suche nach dieser lebensrettenden Person ist mit vielen überraschenden Wendungen verknüpft. Hatten Sie die schon grob im Kopf, als sie ihr dreißigseitiges Exposé zum Buch abgaben?
Nein, denn wenn ich anfange zu schreiben, entwickeln meine Charaktere spätestens nach 80 Seiten ihr Eigenleben. Ich bin dann eher der Beobachter als der Gestalter der Geschichte. Die Figuren kommen dadurch häufig ganz wo anders an und halten sich nicht an meinen ursprünglichen Plan. Das Schreiben ist also auch für mich sehr spannend und immer wieder überraschend.