Benefizkonzert für die Orgel Musikgenuss und Gaumenschmaus

Annett Recknagel
Orgeldinner mit Anja und Andreas Conrad. Foto: /Annett Recknagel

Ein gleich zweifach sinnliches Vergnügen bereiteten Anja und Andreas Conrad ihren Gästen zum Orgeldinner in der Stadtkirche.

 
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Schmalkalden - Maissirup: Ein grauenvolles industrielles Produkt. Ruth Reichl hat es aber immer im Haus, für grauenvolle Momente um vier Uhr morgens, wenn sie nicht schlafen kann. Dann geht sie in die Küche, sucht Sahne, Kakaopulver, braunen Zucker, Butter und dunkle Schokolade. Aus all dem rührt sie eine warme Schokoladensoße, der sie, nachdem sie diese über 500 Milliliter Vanilleeis gegossen hat, beim Festwerden zuschaut.

Spätestens an dieser Stelle lief den Gästen in der Stadtkirche das Wasser im Mund zusammen. „Es passiert nicht oft, aber hin und wieder muss sich ein Mensch vollkommen verwöhnen“, las Pfarrerin Anja Conrad den Text von Ruth Reichl, einer Köchin, die 73 Jahre alt ist und in London lebt, vor. Andreas Conrad verwöhnte die Anwesenden anschließend mit einem Orgelstück von Georg Friedrich Händel, das zu dem süßen Gericht passte. Genauso wie alle anderen ausgewählten musikalischen Hörgenüsse. Allen gingen kulinarische voraus. Serviert wurden sie von Anja Conrad, die ebenso wie ihr Mann leidenschaftlich gern kocht. „Es ist angerichtet“ - selbst ein festlich gedeckter Tisch im Altarbereich fehlte nicht. Gaumenschmaus und Musikgenuss sind schon für sich genommen wahre Freuden, bei denen manch einem das Herz aufgeht. Genießen kann man also nicht nur mit den Geschmacksnerven. Auch übers Ohr nimmt der Mensch Klänge auf, die ihn versöhnlich und freudig stimmen.

Zum Wohlfühlen war das Orgeldinner in der Stadtkirche. Das Ehepaar Conrad hatte es punktgenau vorbereitet. Anja Conrad las Passagen aus verschiedenen Kochbüchern und informierte über Gerichte – manchmal über ganz einfache. Allein das Zuhören machte Freude. Es ging weniger um Lieblingsspeisen – vielmehr über das Winzige, was im Detail verborgen ist. Passend zum November las sie aus dem Wintertagebuch des britischen Journalisten und Kochs, Nigel Slater, dem in den kalten Monaten heiße Getränke sehr am Herzen liegen. Wie wäre es mit einem Obstbrand aus Quitten? Oder darf es doch lieber ein Apricotbrandy sein? Auch ein Likör aus getrockneten Feigen wirkt im Winter wärmend. Während Andreas Conrad danach „Jesu meine Freude“ spielte, wirkten die Worte seiner Frau noch nach und es wurde einem wohlig warm. Das zog sich durch die gesamte musikalische Stunde, die als Benefizkonzert für die Orgel galt und mit dem schönen Wort „Orgeldinner“ überschrieben war. Anja Conrad dachte zudem über Brot, Sauerkraut, das Maß der Speise und der Getränke sowie über eine Metzgerei nach. Die ausgewählten Passagen stammten aus Kochbüchern und anderen Veröffentlichungen. Auch an Vegetarier hatte die Pfarrerin gedacht. Hier stand der Hummus im Zentrum. Wo gibt es den besten? Im Abu Shukri, einem Restaurant in Jerusalem. Die Orgelstücke, die sich an die Lesungen anschlossen, waren zum Teil sehr kurzweilig – natürlich gehörten auch längere Passagen dazu. Schließlich sollte das Instrument so richtig erklingen. Andreas Conrad schaffte das – keine Frage. Aber auf eine Art, die nach mehr verlangte. Seine Frau dürfte die Frage „Was kochen wir heute?“ für die Besucher etwas leichter gestaltet haben. Denn einige Rezepte hatte sie zu einer kleinen Broschüre zum Mitnehmen gestaltet, natürlich mit den entsprechenden Texten. Das Sauerkraut aber muss noch unbedingt erwähnt werden. Schon Sebastian Kneipp lobte es. Auch Wilhelm Busch aß es gern und Heinrich Heine hatte im Wintermärchen geschrieben: „Sei mir gegrüßt mein Sauerkraut, holdselig sind deine Gerüche!“ Das letzte Wort hatte Martin Luther, der in einer seiner Tischreden gesagt hatte: „Ich lobe eine reine, gute, gemeine Hausspeise.“ Damit war auch das Publikum zufrieden. Der Applaus sprach für sich. Das Spendenkörbchen für die geplante Sanierung der Stadtkirchen-Orgel füllte sich am Ausgang.

Barock fetzt ... Am Sonntag, um 17 Uhr, spielen Frederike Rechter (Eisenach) auf der Traversflöte sowie Andreas Conrad auf Cembalo und Orgel Musik aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Zu hören sein werden Werke von Hotteterre, d’Anglebert, Kirnberger, Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel Bach. Der Eintritt ist frei, am Ausgang werden Spenden zugunsten der Renovierung der Schuster-Orgel erbeten. Es gelten die 3G-Regeln; einige wenige Schnelltests können kostenfrei gestellt werden.

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