Batteriezellen-Fabrik Wenn der Zoll beim Vorzeige-Unternehmen reinschaut

und

Es soll die größte Investition in Thüringen sein: Für insgesamt 1,8 Milliarden Euro baut der chinesische Batterie-Hersteller CATL ein Werk in Arnstadt. Auch mit chinesischen Arbeitern – was jetzt den Zoll auf den Plan gerufen hat.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Das Erstaunen bei den Beamten der Bundespolizei war offenbar groß, als sie Mitte Oktober zu einer Routine-Kontrolle auf das Baustellen-Gelände im größten Gewerbegebiet des Freistaats am Erfurter Kreuz kamen. Rund 50 Chinesen hätten damals angesichts der Polizisten die Flucht in die angrenzenden Felder ergriffen, berichtet jetzt der MDR. Denn nach monatelangen Ermittlungen im Hintergrund sind Polizei und Zoll an diesem Mittwoch mit einem Großaufgebot wiedergekommen. Um zu kontrollieren, ob es auf der riesigen Baustelle Schwarzarbeit und falsche Arbeitsgenehmigungen gibt – auch wenn der Einsatz im offiziellen Behördensprech als „verdachtsunabhängige Kontrolle“ läuft. Als das Gelände von Bundes- und Landespolizei umstellt ist, heißt es ab 10 Uhr: Bitte Papiere vorzeigen. Über der Szenerie kreist der Polizeihubschrauber.

Nach der Werbung weiterlesen

Am Nachmittag schließlich zieht das Hauptzollamt Erfurt Bilanz. Es seien insgesamt 424 Personen „angetroffen“ und zum Teil mittels Dolmetschern zu ihrem Arbeitsverhältnis befragt worden. „Erfreulicherweise wurde lediglich ein ausländerrechtlicher Verstoß festgestellt und geahndet“, teilt die Behörde mit, die für die Kontrolle auf Schwarzarbeit zuständig ist. Für die Großbaustelle ist das praktisch nichts.

Ob das aber auch heißt, dass alle arbeitsrechtlichen Prüfungen auf dieser Baustelle ohne Beanstandung waren? Ein Sprecher des Hauptzollamts Erfurts will sich dazu auch auf Nachfrage nicht äußern. Er müsse dazu auf den Sozialdatenschutz verweisen, sagt er lediglich. Er will nicht einmal sagen, ob die Polizisten und Zöllner bei der Kontrolle auf Umstände gestoßen sind, die sie nun im Zuge weiterer Prüfungen abschließend klären werden. „Auch dazu verweise ich auf den Sozialdatenschutz“, sagt er.

Diese Wortkargheit ist besonders bemerkenswert, weil sich der Zoll in der Vergangenheit bei vergleichbaren Schwarzarbeitskontrollen überhaupt nicht so schwer damit getan hatte, in anonymisierter Art über deren Ergebnisse zu berichten. Als es im August 2022 beispielsweise Schwerpunktkontrollen des Zolls in Hotels, Pensionen und Gasthöfe mit Übernachtungsmöglichkeiten gab, teilten die Beamten ganz genau mit, was sie alles festgestellt hatten. „In sechs Fällen lagen Anhaltspunkte vor, dass Beschäftigte nicht den gesetzlichen Mindestlohn erhalten“, hieß es in einer damaligen Mitteilung des Hauptzollamt Erfurt.

Erleichterung im Ministerium

Was den Fall jedoch so brisant macht: Das Werk für Auto-Batteriezellen des chinesischen Herstellers Contemporary Amperex Technology Co. Limited – kurz: CATL – ist die aktuelle Vorzeige-Investition in Thüringen, die auch dementsprechend von der Politik hofiert wird. Bis zu 2000 Menschen sollen hier einmal Arbeit finden. Alle namhaften Auto-Hersteller in Europa würden in Zukunft aus Arnstadt mit den Akkumulatoren für ihre Elektroautos beliefert, verspricht der Konzern in seiner Eigen-Darstellung.

Ende des Jahres war wie geplant ein Teil der Produktion in Arnstadt gestartet – und das aber eben auch, wie CATLs Europa-Präsident Michael Zentgraf im Vorfeld erklärt hatte, mit einer Reihe chinesischer Mitarbeiter. Diese würden die Technik installieren und in Betrieb nehmen und dann nach und nach die deutschen Mitarbeiter anlernen, hatte Zentgraf den Ablauf erläutert. Aktuell sollen in dem Werk rund 900 Arbeitskräfte beschäftigt sein, darunter etwa 400 Chinesen.

Den Fall vom Oktober führte Zentgraf am Mittwoch in einer Stellungnahme darauf zurück, dass es wohl Schwierigkeiten mit den Arbeitsvisa bei einzelnen Subunternehmen gegeben habe. Er spricht von lediglich sieben Arbeitern, die auf das Feld gelaufen seien. Zudem sei in der Zwischenzeit das Kontrollsystem für Arbeitsvisa verbessert worden. „Wir haben nach dem Vorfall einen Maßnahmenkatalog aufgestellt, dass sich auf der Baustelle niemand befindet, der kein gültiges Arbeitsvisum hat“, heißt es in der Stellungnahme. Ein Grund für die Probleme könne auch die Lage wegen der Corona-Pandemie in China sein. Teilweise hätten Arbeiter nach Ablauf ihres Arbeitsvisums keine Rückflüge bekommen.

Im Thüringer Wirtschaftsministerium ist man unterdessen offenbar einigermaßen erleichtert darüber, dass bei der aktuellen Kontrolle von CATL jedenfalls nach der derzeit vorliegenden Informationen keine größeren Verstöße festgestellt worden sind. „Derartige Kontrollen sind üblich und berechtigt, um Schwarzarbeit und illegale Einreisen zu unterbinden“, sagt ein Sprecher des Ministeriums nach dem Ende der Aktion. „Das Vorgehen der zuständigen Behörden hat daher unsere volle Unterstützung.“

Erfreulich sei zudem, dass CATL seine Zusagen aus der Vergangenheit offenbar eingehalten habe, Mängel abzustellen, die bei einer Kontrolle im Oktober auf dem Gelände festgestellt worden seien. Unter anderem sei zu den Beschäftigten der CATL-Zulieferfirmen ein Monitoringsystem eingeführt worden, über das eine regelmäßige Statusinformation an die Ausländerbehörde des Ilm-Kreises, die Arbeitsagentur und die Landesentwicklungsgesellschaft erfolgten. „Angesichts der heutigen Überprüfung gehen wir weiterhin davon aus, dass CATL ein guter Arbeitgeber für seine in- wie ausländischen Beschäftigten sein wird.“