Bekannte Bandenchefs im Nationalgefängnis inhaftiert
Die Zeitung „Le Nouvelliste“ berichtete, im Nationalgefängnis seien auch bekannte Bandenchefs inhaftiert gewesen sowie Häftlinge, die im Zusammenhang mit dem Mord an Staatschef Jovenel Moïse verurteilt worden seien. Zur Vorbereitung der Erstürmung sei das Gefängnis seit Donnerstag mit Drohnen ausspioniert worden.
Die jüngsten Angriffe sind offenbar Teil einer koordinierten Aktion krimineller Banden, die sich unter dem Namen „Vivre Ensemble“ (“Zusammen leben“) zusammengeschlossen haben. Die Gewalt hatte am Donnerstag begonnen. Der mächtige Bandenchef Jimmy „Barbecue“ Chérisier sagte in einem in Online-Netzwerken veröffentlichten Video, dass die gemeinsamen Aktionen rivalisierender bewaffneter Gruppen auf den Rücktritt von Regierungschef Henry abzielten.
Der Karibikstaat Haiti steckt seit Jahren in einer schweren Krise, zu der neben Bandengewalt auch politische Instabilität und wirtschaftliche Not gehören. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der auf humanitäre Hilfe angewiesenen Menschen in dem Land nach UN-Angaben verdoppelt.
Die Ermordung von Präsident Moïse im Jahr 2021 verschlimmerte die Sicherheitslage dramatisch. Allein im Januar wurden nach UN-Angaben in Haiti mehr als 1100 Menschen getötet, verletzt oder entführt. Die kriminellen Banden im Land sind anscheinend besser bewaffnet als die Polizei.
Der haitianische Präsidentschaftsposten ist vakant
Seit 2016 gab es keine Wahlen mehr in dem Karibikstaat. Der Posten des Präsidenten ist vakant. Erst vor wenigen Tagen unterzeichnete Haitis Regierungschef Henry mit Kenias Präsident William Ruto ein Abkommen über den Einsatz von kenianischen Polizeikräften in Haiti. Kenia hatte sich bereit erklärt, eine multinationale vom UN-Sicherheitsrat gebilligte Eingreiftruppe zu leiten, um die Lage in Haiti zu stabilisieren. Nairobi will zu diesem Zweck tausend Sicherheitskräfte entsenden.
Ob Regierungschef Henry am Sonntag bereits aus Kenia zurückgekehrt war, war unklar. Die Verhängung des Ausnahmezustands unterzeichnete Wirtschafts- und Finanzminister Michel Boisvert als sein Stellvertreter.