Im Thüringer Infrastrukturministerium, das die Entscheidung zur Einstellung des Programms bereits im Juli getroffen hat, weist man die Verantwortung von sich: „Die Finanzierung eines neuen Verkehrsvertrages mit einer Laufzeit über mehrere Jahre ist mit Mitteln für den Schienenpersonennahverkehr nicht mehr darstellbar“, heißt es auf Nachfrage. Der Nahverkehr diene der Daseinsfürsorge und schlage ohnehin mit stetig steigenden Kosten zu Buche. Dampflokfahrten hätten für die Daseinsvorsorge, also die Mobilitätsgarantie im Alltagsverkehr, „praktisch keine Bedeutung“, sondern seien „ein vorrangig touristisch genutztes Angebot“. Dementsprechend habe man das für Tourismusförderung zuständige Wirtschaftsministerium gebeten, „eine zumindest anteilige finanzielle Beteiligung an den zukünftigen Kosten des Nostalgieprogramms zu prüfen.“ Ergebnis: Das Haus von Minister Wolfgang Tiefensee habe „kurz- und mittelfristig keine Kostenbeteiligung am Nostalgieprogramm ermöglichen“ können. Damit ist die Sache für das Haus von Ministerin Susanna Karawanskij erledigt. Zuständig für diese Entscheidung war im Juli ohnehin noch Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff, die neue Ministerin ist erst seit wenigen Wochen im Amt.
Der Zuschussbedarf für ein Jahr Thüringer Bahnnostalgie ist mit rund 500 000 Euro – gemessen an anderen touristischen Projekten hierzulande, die schnell mal Millionensummen verschlingen – vergleichsweise klein. Im Infrastrukturministerium hatte man trotzdem die so ehrgeizige wie unrealistische Vorstellung, das Programm könne sich perspektivisch eigenwirtschaftlich tragen. Tatsächlich sind die Fahrgastzahlen, auch in Abhängigkeit von der Zahl der von Jahr zu Jahr angebotenen Züge, zuletzt leicht gesunken: Von rund 6 300 Personen im Jahr 2015 auf 5 800 im Jahr 2019. Der „Rodelblitz“ startete einmal mit zehn Fahrten an fünf Wochenenden. Zuletzt war er noch an drei Wochenenden unterwegs.
Dennoch verweist das Ministerium ausdrücklich auf nicht vorhandenes Geld als Grundlage der Entscheidung: „Das Nostalgieprogramm wird nicht wegen zu geringer Nachfrage beendet.“ Auswirkungen auf den Tourismus zum Beispiel im Thüringer Wald werden sogar eingeräumt, wenn auch als „überschaubar“ eingeschätzt: „Von Fans historischer bzw. nostalgischer Bahnfahrten und von den Tourismuspartnern wird die Einstellung wahrscheinlich und nachvollziehbar mit Bedauern betrachtet werden.“ Das gelte auch angesichts der „sehr guten Auslastung“ des „Rodelblitzes“.
Eine einsame Entscheidung also? Wohl kaum. Man habe, verlautbart das Infrastrukturministerium, „im engen Austausch mit dem für Tourismus zuständigen Wirtschaftsministerium“ gestanden. Das Ergebnis dieses interministeriellen Gedankenaustauschs formuliert Udo Pfotenhauer so: „Thüringen war mal der Leuchtturm beim Nostalgieverkehr auf der Schiene.“
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