Ausbauprojekt Zu teuer? Neue Hürde für flotte Züge zwischen Weimar und Chemnitz

Die endlose Geschichte um eine zweite moderne Zugverbindung zwischen Thüringen und Sachsen geht weiter: Nun soll dem Bund die geplante Elektrifizierung der so genannten Mitte-Deutschland-Trasse in Ostthüringen zu teuer geworden sein. Landesregierung und Bahn-Lobby laufen Sturm. Kippt nun das ganze Projekt?

 
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Erfurt - Der seit Jahrzehnten ersehnte Ausbau der Mitte-Deutschland-Verbindung Kassel–Erfurt–Dresden am Nadelöhr in Ostthüringen wackelt offenbar gehörig. Das Thüringer Verkehrsministerium fürchtet, dass der Bund sich nicht wie geplant an der Elektrifizierung der Bahnstrecke zwischen Weimar, Gera und der Landesgrenze zu Sachsen beteiligen könnte. Eine Neubewertung der Wirtschaftlichkeit durch einen Gutachter des Bundes habe bisher ergeben, dass das Projekt nicht wirtschaftlich sei, teilte das Ministerium mit. Hintergrund seien gestiegene Baukosten.

Damit stünde nach Thüringer Einschätzung auch die durchgängige Zweigleisigkeit auf der Kippe. Da die Elektrifizierung und der zweigleisige Ausbau auf Teilabschnitten zwischen Hermsdorf und Gera zusammen umgesetzt werden sollten, sei ein Stillstand der Ausbautätigkeiten zu befürchten, hieß es am Freitag in Erfurt. Nach längerem Streit hatte sich das Land dazu durchgerungen, 50 von geschätzten 130 Millionen Euro fürs zweite Gleis selber aufzubringen und dafür ab 2022 Geld im Landeshaushalt vorzusehen, zunächst für die Planungsphase.

„Die aktuell zugrunde gelegten Kriterien an Wirtschaftlichkeit muten mittelalterlich an und konterkarieren die Ziele der neuen Bundesregierung“, kritisierte Verkehrsministerin Susanne Karawanskij (Linke). Diese habe sich Klimaneutralität ins Stammbuch geschrieben, nehme Thüringen aber Wind aus den Segeln. „Das ist weder für uns als Landesregierung noch für die Menschen in den neuen Bundesländern hinnehmbar.“ Karawanskij habe ihren Bundes-Kollegen Volker Wissing (FDP gemahnt, das Projekt weiter voranzutreiben, hieß es weiter.

Aktuell würden die Kosten für die 115 Kilometer neu zu bauender Oberleitung mit knapp 600 Millionen Euro beziffert – das sei etwa eine Verdopplung der ursprünglich kalkulierten Kosten, hieß es aus dem Ministerium. Eine Sprecherin der Deutschen Bahn in Leipzig sagte, noch sei die Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht abgeschlossen und daher auch kein Kommentar möglich, ob sich der Ausbau wirklich nicht rentiere.

In der Thüringer Politik sorgte die Nachricht für Kritik. In etlichen Wortmeldungen wiesen Vertreter von Parteien sowie Bundestagsabgeordnete auf die Bedeutung der Bahnstrecke als verbindendes Element zwischen Ost und West, sowie auf die Verkehrs- und Klimaziele der Bundesregierung hin.

Wichtige Ost-West-Trasse

Die Mitte-Deutschland-Verbindung zwischen Dortmund/Kassel einerseits sowie Dresden anderseits führt mitten durch Thüringen. Traditionell war es die wichtigste Verbindung zwischen den der Industrieregionen Schlesien und Chemnitz/Dresden und dem Ruhrgebiet sowie der Rhein-Main-Region. Westlich von Erfurt und östlich von Chemnitz ist sie inzwischen gut ausgebaut, nur in Ostthüringen bremsen eingleisige und nicht elektrifizierte Passagen die Züge aus – Wartezeiten und der Wechsel zu Dieselloks sind weder für ICE- noch für Güterzüge attraktiv. Die nehmen daher heute die topmoderne Route über Leipzig, die wiederum überlastet ist und die Osthälfte Thüringens umfährt.

Erst 2017 hatte der Bund den seit 1990 geforderten Streckenausbau als vordringlich eingestuft und eine Finanzzusage für die Oberleitung von Weimar bis Landesgrenze gegeben – damals als Gegenleistung dafür, dass Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) die (inzwischen gescheiterte) Pkw-Maut der CSU im Bundesrat unterstützte. Der Baubeginn war für 2026 geplant, die Fertigstellung für die 30er Jahre.

Der spitze Bleistift des Bundes hatte voriges Jahr bereits eine anderes Oberleitungs-Vorhaben zum Wanken gebracht: Die gegenüber Tschechien seit 1998 zugesagte Elektrifizierung der Strecke Nürnberg–Cheb (Eger) liegt ebenfalls auf Eis, weil es als zu teuer angesehen wird.

Bei Straßenbauprojekten werde deutlich weniger genau hingeschaut, wenn die Kosten steigen, kritisiert der Fahrgastverband „Pro Bahn“. Dessen Landesverband sprach am Freitag von einem „schweren Rückschlag für das wichtigste Schienenprojekt in Thüringen“. Wenn die Ampelkoalition es ernst meine mit Energiewende und glaubwürdiger Verkehrspolitik, dann dürften solche „dringend notwendigen Elektrifizierungen“ nicht an einer bürokratischen Kosten-Nutzen-Rechnung scheitern, hieß es.

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