Automobilindustrie Elektromobilität wird zur wichtigen Stütze

Die Bänder stehen kaum noch still. Bei vielen Automobilzulieferern in Thüringen läuft die Produktion schon wieder auf dem Niveau, das sie vor der Corona-Krise hatte. Foto: dpa/Jens Wolf

Hoffnungszeichen von einem Sorgenkind der Thüringer Wirtschaft. Trotz Strukturwandel und Corona sind die Automobilzulieferer für die Zukunft vergleichsweise optimistisch.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Erfurt - Die Zukunft sah düster aus für die Automobilzulieferindustrie in Thüringen. Da war zunächst der Strukturwandel. Die Tage der Verbrennungsmotoren sind gezählt. Das bringt vor allem Unternehmen in Schwierigkeiten, die bisher nur Teile für Verbrennungsmotoren geliefert haben. Lange sah es so aus, als sei Thüringen auf diesen Strukturwandel schlecht vorbereitet. Düstere Prognosen sahen den Verlust Tausender Arbeitsplätze voraus.

Und dann kam noch Corona dazu. Als im vergangenen Frühjahr fast weltweit die Bänder bei den Automobilherstellern still standen, gerieten auch di Zulieferer in eine Schockstarre. Und nun das: In einer Umfrage des Branchenverbandes Automotive Thüringen (at) senden die befragten Mitgliedsunternehmen nun vorsichtigen Optimismus in die Welt. „Die wirtschaftlichen Folgen der noch anhaltenden Corona-Pandemie werden erst schrittweise zutage treten. Industrieunternehmen sind nicht von einem Lockdown betroffen und können produzieren. Aber der Weg zu einer neuen Normalität ist noch weit“, beschreibt Rico Chmelik, Geschäftsführer des at, die Rahmenbedingungen.

Unter diesen hatte das Netzwerk im Februar 195 Zulieferer mit insgesamt 55 000 Beschäftigten zur aktuellen Situation und den Erwartungen für das Jahr 2021 befragt. „Die Rückmeldungen der befragten Automobilzulieferer vermitteln die Zuversicht, dass die Mehrzahl der Unternehmen die gegenwärtige Krise gut überstehen wird“, teilte Chmelik am Freitag mit.

Ein Drittel der Unternehmen verzeichnete demnach im Januar und Februar 2021 bereits wieder einen Umsatz, der auf dem Niveau der entsprechenden Vorjahresmonate (vor Corona) liegt. Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, dass mehr als 60 Prozent der Unternehmen keine Kurzarbeit mehr benötigen.

Anders als befürchtet gehen mehr als 80 Prozent der Firmen davon aus, nicht in Liquiditätsprobleme zu geraten. Und ebenfalls 80 Prozent erwarten, dass ihre Beschäftigtenzahlen konstant bleiben oder sich sogar erhöhen werden.

Dieses unerwartet positive Ergebnis bei der Liquidität werde neben einer guten Umsatzentwicklung auch durch die Einhaltung der Zahlungsziele durch die Kunden gestützt, die mehr als 80 Prozent der Befragten ausdrücklich bestätigen, so Chmelik. Mehr als 40 Prozent der Unternehmen erwarteten, dass in den nächsten sechs bis zwölf Monaten das Vorkrisen-Niveau in der Produktion wieder erreicht werden könne. Etwas mehr als die Hälfte (56 Prozent) stellt sich hingegen auf eine Erholungsphase von mehr zwölf Monaten ein.

Und noch ein überraschendes Ergebnis: Die Elektromobilität, vor der der Branche einst so bange war, wird zur Umsatzstütze. „Wie schon in unseren vorherigen Umfragen bestätigen 72 Prozent der Unternehmen Aufträge für die Produktion von Elektrofahrzeugen. 65 Prozent gehen davon aus, dass im Jahr 2021 weitere Umsatzsteigerungen durch Elektrofahrzeuge zu erwarten sind“, berichtet Chmelik.

Und so bleibt als drängendstes Problem der Branche die Knappheit von geeigneten Mitarbeitern. 40 Prozent der Unternehmen weisen darauf hin, dass heute schon offene Stellen in ihren Unternehmen nicht besetzt werden können. „Dies ist ein beunruhigendes Ergebnis“, so Chmelik. Als Ursachen für diese Entwicklung nennen die Unternehmen Fachkräfte- und Bewerbermangel und insbesondere fehlende Qualifikationen. Dieser Bedarf an qualifizierten Mitarbeiter wird sich nach Meinung der Unternehmen bis 2025 eher noch verstärken.

Zu erwartende Engpässe sehen die Befragten bei Ingenieuren, Mechatronikern, IT- und Automatisierungsfachleuten, Qualitäts- und Entwicklungsmitarbeitern. Engpässe werden aber auch im Werker-Bereich erwartet.

Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) nannte die Ergebnisse der Umfrage am Freitag ein „Licht am Ende des Tunnels“. Erfreulich seien die Ergebnisse auch deshalb, weil die Thüringer Automotive-Branche im vergangenen Jahr mit 25 Prozent deutliche Verluste bei der Umsatzentwicklung habe hinnehmen müssen. „Der Rückgang war ausschließlich auf das schwächelnde Inlandsgeschäft zurückzuführen, während der Export zumindest auf dem gleichen Niveau wie 2019 blieb und so insgesamt zur Stabilisierung der Branche beitrug“, erklärte Tiefensee. Dennoch bleibe es eine Tatsache, dass sich weiterhin eine Reihe von Unternehmen in einer bedrohlichen Schieflage befinde, so der Minister. Bund und Land hätten deshalb umfangreiche Hilfen auf den Weg gebracht, um die Betriebe bei Investitionen zu unterstützen.

Zu den größten Problemen der Thüringer Zulieferbetriebe gehören laut Branchenmonitor neben Corona-Krise und Strukturwandel derzeit insbesondere auch der Fachkräftemangel. „Die Engpässe hier wirken sich tendenziell bremsend auf die Entwicklung der Branche aus“, so Tiefensee.

Gerade deshalb sei es wichtig, auch in der Krise qualifiziertes Personal zu halten und den Fachkräftenachwuchs frühzeitig ans Unternehmen zu binden. Dafür könnten das Kurzarbeitergeld, der Azubizuschuss des Wirtschaftsministeriums, die Corona-Hilfen von Bund und Land, aber generell auch die Qualifizierungs- und Rekrutierungsprogramme des Landes genutzt werden, erklärte der Minister in Erfurt.

Autor

Bilder