Im Fall ukrainischer Zulieferer geht es in erster Linie um fehlende Kabelbäume. "Wir gehen davon aus, dass sich die Versorgungssituation auch bei einem länger anhaltenden Krieg normalisieren wird", sagte Konzernchef Herbert Diess. Doch die bisher gegen Russland verhängten wirtschaftlichen Strafmaßnahmen zeigten noch nicht die geplante Wirkung: "Die Hoffnung, den Krieg mit harten Sanktionen schnell zu beenden, hat sich nicht erfüllt." Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch sieht eine Zeitenwende nach einer langen Zeit der Annäherung.
Diess warnte unabhängig davon vor einer dauerhaften Abschottung der Russischen Föderation oder anderer Regionen. "Der frühzeitige Abgesang auf das Modell "Wandel durch Handel" greift zu kurz. Blockbildung kann nicht unsere Antwort sein." Zu den Kabelbäumen, derentwegen mehrere VW-Werke nach Corona in den nächsten Leerlauf fielen, meinte er: "Die Produktionsausfälle in Europa konnten wir weitgehend ausgleichen." Volkswagen erweiterte dafür die Fertigung in Südamerika und China - das ist aber keine Langfrist-Lösung.
Vorwurf: VW tut nicht genug für die CO2-Reduktion
Kritiker werfen VW immer wieder vor, zu lange an Verbrennungsmotoren festzuhalten und trotz hoher Investitionen in neue E-Modelle und emissionsärmere Fabriken bisher nicht genug für die CO2-Reduktion zu tun. Diess verwies auf die gute Nachfrage nach Elektrofahrzeugen - und die "Klimakatastrophe" lasse sich nur global lösen. Aktivisten von Greenpeace demonstrierten vor dem Sendestudio von VW. Sie wollten damit auch auf einen Prozess einstimmen, den ein Landwirt und eine Klimaschützerin demnächst am Landgericht Detmold führen wollen.
Das Angebot an vollelektrischen Autos und die Umrüstung weiterer Standorte wie Emden, Hannover oder Chattanooga (USA) will VW weiter ausbauen. Das verlaufe "nach Plan", sagte Diess. Die Wagen könnten bald vergleichbar profitabel sein wie Verbrenner. Mehrere Aktionäre forderten aber, nach Kompaktmodellen, SUVs und Limousinen schneller auch kleinere Modelle wie einen ID.1 oder ID.2 anzugehen. Letzterer soll Polo-Größe haben und wird schon für den Markt Europa entwickelt.
Lockdowns in China haben Auswirkungen
Sorgen macht der Autobranche die Situation in China, wo neue Corona-Lockdowns Metropolen wie Shanghai und den Schiffsverkehr treffen, mit erheblichen Folgen für den Welthandel. Der bisherige VW-Kernmarken-Chef Ralf Brandstätter, der im Sommer als Vorstand für den Gesamtkonzern in die Volksrepublik wechselt, hält die Schwäche der Wolfsburger dort inzwischen für überwunden. Unter anderem hatten Kunden bestimmte Software-Features vermisst. Er betonte: "Wir sind weiter Marktführer dort." Im Jahresverlauf werde man auch den Produktionsrückstand in China voraussichtlich aufholen können.
Ganz los ließ die Anteilseigner auch diesmal das Erbe der Dieselkrise nicht. Irritationen gibt es bei einigen nach wie vor darüber, dass mit Ex-Konzernchef Martin Winterkorn und weiteren hohen Ex-Managern 2021 ein interner, teils als intransparent empfundener Vergleich über Schadenersatz geschlossen wurde. Die Gesamtkosten von "Dieselgate" liegen seit dem Bekanntwerden des Skandals im September 2015 jetzt bei über 33 Milliarden Euro. Ein Sonderausschuss des Aufsichtsrats wurde Ende 2021 aufgelöst. Nach Angaben von Rechtsvorstand Manfred Döss gibt es weltweit rund 60.000 einzelne Diesel-Zivilverfahren.
Die stimmberechtigten Stammaktionäre nahmen letztlich sämtliche Punkte auf der Tagesordnung an - beispielsweise zu den Gehältern der Top-Führungskräfte oder zur Dividende für die Stammpapiere (7,50 Euro) und Vorzugspapiere (7,56 Euro). Mit großer Mehrheit beschlossen wurde zudem eine Personalie im Aufsichtsrat: Das Golf-Emirat Katar entsendet als drittwichtigster Eigner der VW-Gruppe den Chef seines Staatsfonds (QIA), Mansur bin Ibrahim Al-Mahmud, in das Gremium. Die Arbeitnehmer hatten bereits im April drei neue Vertreter benannt. Jens Rothe, Betriebsratschef der sächsischen VW-Standorte, sitzt jetzt als erster ostdeutscher Vertreter mit einem betrieblichen Mandat im Präsidium der Kontrolleure.