Ausstellung im Fahrzeugmuseum Wie die Moderne in der Provinz Einzug hielt

Zur Eröffnung der Ausstellung „Moderne in der Provinz – Suhl“: Stephan Zänker, Hartmut Göbel, Michael Grisko, Thorsten Orban und Joachim Scheibe. Foto: frankphoto.de

Das Fahrzeugmuseum ist um einen Schatz reicher. Es zeigt eine Ausstellung, die sich der Moderne in der Provinz widmet. Sie spiegelt am Beispiel der Firma Simson wider, wie in Suhl in der Zeit der Weimarer Republik Neues versucht wurde.

 
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Suhl - In dem Kino-Rund des Suhler Fahrzeugmuseums macht eine Ausstellung auf sich aufmerksam, die Ruhe braucht. Und auch Zeit. Sie erzählt auf mehreren Tafeln, dass die Moderne, die mit der Weimarer Republik Einzug hielt, beileibe nicht nur in den Metropolen eine Rolle spielte, sondern auch in der Provinz. Es gab eben nicht nur das, was mit „Babylon Berlin“ in die Wohnzimmer flimmert.

Die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und der Weimarer Republik e. V. haben gemeinsam das Projekt „Moderne in der Provinz“ ins Leben gerufen, um diesen Aufbruch zu zeigen - nicht im großen Ganzen der Weimarer Republik, sondern ganz konkret vor Ort in Thüringen. Die Spurensuche führt über Gotha d Jena, Nordhausen und Eisenach auch nach Suhl. „Auch hier sollte erforscht werden, wie sich die Modernisierung materialisiert hat“, sagt Michael Grisko von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen. Schließlich gab es auch hier Menschen, die mutig Neues versucht haben.

Ein markantes Beispiel waren die Simson-Werke. „Hier, in diesem jüdischen Unternehmen lässt sich eine interessante Wirtschaftsgeschichte während der Zeit der Weltkriege aufspüren, in der auch die Anstrengungen zu entdecken sind, von der auf Kriegsführung ausgerichteten Produktion auf Friedensproduktion umzustellen“, so Stephan Zänker, Geschäftsführer des Vereins Weimarer Republik.

Die Weltmärkte mussten neu erobert werden und dafür war viel Kreativität gefragt. „Das ist eine wirklich sehr spannende Geschichte, in der viele Innovationen hervorgebracht worden sind.

Mit der Einführung des Simson Supra begann für den Automobilbau der Firma Simson & Co. 1924 eine neue Zeitrechnung. Die Modellreihe überzeugte nicht nur wohlhabende Bürger, sie war auch auf den Rennstrecken erfolgreich. Ab 1925 waren die Simson Supras an allen namhaften Rennen beteiligt. Die Begeisterung für den Rennsport erfasste breite Bevölkerungskreise und Rennfahrer avancierten zu Helden – eine bessere Werbung konnten die Autohersteller also kaum bekommen.

Vom Marketingeffekt abgesehen, abgesehen, diente der Rennsport auch dazu, die Frauen aus ihrer Geschlechterrolle herauszuholen. Besser gesagt, Frauen nutzten das Phänomen, um aus ihrer viel zu lang geprägten Rolle auszubrechen. Sie wurden sogenannte Selbstfahrerinnen im Straßenverkehr und setzten sich auch hinter das Steuer von Rennwagen.

Im Fahrzeugmuseum ist ein solches Beispiel mit Tilly Kotte markiert. Sie war eine der Frauen, die sich sehr erfolgreich in die männerdominierte Rennsportszene vorwagten. Sie erfuhr sich mit ihrem Simson Supra Typ S 8/40 von 1926 und 1930 zahlreiche Erfolge. Vor allem im Geschicklichkeitsfahren zeichnete sich Kotte durch eine besonders versierte Fahrzeugbeherrschung und ein außerordentliches Feingefühl aus. Sie tat dem Renommee der Firma Simson gut. Und sie lieferte ein Beispiel auch für die Modernisierung der Geschlechterrolle der Frau, für die Modernisierung des Lebens

Die Ausstellung setzt das Unternehmen Simson & Co. in den Kontext der Weimarer Republik, streift die heikle Zusammenarbeit mit der Reichswehr und berichtet über die Automobilproduktion in Suhl.

„Wir sind froh, diese Ausstellung zeigen zu können und werden sie auch Schulen für den Unterricht anbieten, denn oft sind die jungen Menschen sehr interessiert an der Technik. Und über konkrete Dinge könne man gut Interesse an deren Geschichte wecken“, sagt Thorsten Orban, Leiter des Fahrzeugmuseums.

Was bei der Spurensuche zum Thema Moderne in der Provinz in Thüringen gefunden wurde, soll voraussichtlich in einem Buch münden, in denen viele Beispiele zu Wort kommen, die noch heute Bedeutung besitzen.

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