In der Landwirtschaft spiele die Kontamination keine Rolle, heißt es vom Bundesamt für Strahlenschutz: „Dass die Nahrungsmittel des Waldes wesentlich höher belastet sein können als landwirtschaftliche Erzeugnisse, liegt an der unterschiedlichen Beschaffenheit von Waldböden und landwirtschaftlich genutzten Böden.“
Bestimmte Pilz- und Wildarten sind in einigen Gegenden Deutschlands nämlich durch die Reaktorkatastrophe noch immer stark mit dem sogenannten Radiocäsium, belastet. Der Süden Deutschlands sind davon besonders betroffen. Dezernentin Isabell Figula vom Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz weiß: „Besonders in Regionen der Landkreise Schmalkalden-Meiningen, Gotha, Hildburghausen, Greiz, Sonneberg, Saalfeld-Rudolstadt, Suhl sowie im Ilmkreis sind Belastungen nach wie vor festzustellen.“ Sie ergänzt aber: „Stichprobenartig wurden aus Thüringer Waldgebieten in den letzten Jahren Pilze hinsichtlich ihrer radiometrischen Belastung mit Cs-134 und Cs-137 untersucht. Hierbei wurde der Grenzwert der kumulierten Radioaktivität (...) in keinem Fall überschritten.“
Frank Herrmann, Geschäftsführer des Thüringer Landesjagdverbandes, ist es eigentlich leid, alle Jahre wieder auf die Thematik angesprochen zu werden. „In Thüringen betrifft die Belastung in erster Linie das Schwarzwild, das in einigen gebieten in Kammlagen des Thüringer Waldes erlegt wird.“ Wildschweine suchen im Gegensatz zu anderen Wildtieren einen Großteil ihrer Nahrung im Boden und durchwühlen ihn dafür. Vor allem unterirdisch wachsende Pilze sind ganz nach ihrem Geschmack. Und in einigen Pilzarten wie verschiedenen Schnecklingen, aber auch den für den menschlichen Verzehr durchaus beliebten Maronenröhrlingen oder Pfifferlingen konzentriert sich Radiocäsium.
„Bei Wildbret aus Gebieten, in denen eine erhöhte Kontamination festgestellt wurde, wird jedes Stück getestet“, sagt Frank Herrmann. Vier zertifizierte Teststellen gibt es dafür im Freistaat, unter anderem eine in Zella-Mehlis. „Jede Grenzwertüberschreitung führt sofort dazu, dass das Fleisch verworfen wird“, berichtet er weiter. Mit den Messungen wird verhindert, dass belastetes Fleisch in den Handel gerät. Die kontaminierten Stücke werden fachgerecht entsorgt. Das Landesamt für Verbraucherschutz teilt mit „Insgesamt werden so pro Jahr fast 1000 Schwarzwildproben untersucht, wovon etwa zehn Prozent aufgrund von Überschreitungen des Grenzwertes verworfen werden mussten. Eine Änderung dieser Quote konnte in den letzten Jahren nicht beobachtet werden.“
In Deutschland ist es nicht erlaubt, Lebensmittel mit einem Radiocäsiumgehalt von mehr als 600 Becquerel pro Kilogramm in den Handel zu bringen. Für den Eigenverzehr gilt diese Beschränkung zwar nicht: „Aber kein Jäger wird so dumm sein, belastetes Fleisch zu verzehren.“, sagt Herrmann. Es gebe inzwischen im Freistaat allerdings nur noch vereinzelt Schwarzwild, das eine deutlich erhöhte Cäsiumbelastung aufweise. Wenn Wildbret wegen dieser Belastung vernichtet werden muss, kommt der Bund für die Entschädigung auf, Jäger können beim Bundesverwaltungsamt eine Ausgleichszahlung beantragen.
Jagdverbands-Chef Frank Herrmann stellt klar: „Wildbret, das von Jägern oder im Wildhandel angeboten wird, ist ohne jegliche Einschränkungen verzehrfähig.“
Das Bundesamt für Strahlenschutz unterstreicht dies und rät: Wenn Wildbret oder wild wachsende Speisepilze in üblichen Mengen verzehrt würden, sei die zusätzliche Strahlenbelastung zwar vergleichsweise gering, aber vermeidbar. Wer seine persönliche Belastung verringern möchte, sollte in höher belasteten Gebieten auf den Genuss selbst erlegten Wildes und selbst gesammelter Pilze verzichten.
In Thüringen, wo es vielerorts eine relativ hohe natürliche radioaktive Belastung gibt, ist die aus dem Kraftwerk Tschernobyl stammende Kontamination deutlich geringer als etwa in teilen Bayerns. Das Bundesamt blickt voraus: „Radiocäsium wandert nur langsam in tiefere Schichten des Waldbodens. Aufgrund der Tiefenverlagerung und des radioaktiven Zerfalls werden die Aktivitätswerte in Pilzen und Wildbret in den nächsten Jahren allmählich zurückgehen.“
Seit Jahren engagieren sich in der Region einige Initiativen, Vereine, Privatpersonen und Institutionen insbesondere für Kinder, die noch immer unter den Folgen der Katastrophe zu leiden haben. So gab bzw. gibt es Ferienaufenthalte für junge Menschen aus der stark betroffenen Region Kursk, die im Landkreis Hildburghausen angeboten werden. In der Rhön gibt es ebenso wie im Kreis Sonneberg länderübergreifende Initiativen, die betroffenen Kindern, Jugendlichen und Studenten sorgenlose Ferienaufenthalte ermöglichen.
Im Kreis Hildburghausen beispielsweise ist Landrat Thomas Müller auch ganz persönlich im Förderverein Kinderheime der Region Kursk aktiv. Alles begann, als im August 2001 Einladung die damalige Kanzlersgattin Hiltrud Schröder im Berufsschulzentrum Hildburghausen einen Vortrag „Die fatalen Folgen des Reaktor-Unfalls in Tschernobyl“ hielt und zu dem Schluss kam, dass die beste Hilfe die ist, die vor Ort geleistet werden kann. Schon zuvor half der Landrat seit Jahren Kindern, die unter den Spätfolgen der Katastrophe zu leiden hatten. Vor nun fast 20 Jahren wurde der Förderverein Kinderheime der Region Kursk in das Vereinsregister eingetragen. Spendenaufrufe und Sammelaktionen wurden gestartet, die Resonanz in der Bevölkerung war überwältigend. Vier Bildungseinrichtungen, das Hildburghäuser Bildungszentrum, die Stiftung Rehabilitationszentrum Thüringer Wald Schleusingen, der Bildungsträger Meiningen und das Südthüringer Bildungszentrum Holz in Kloster Veßra., halfen mit Möbeln und Umbauhilfen für Kinderheime, Schulen und Internate. Seit 2014 sind regelmäßig Kursker Studenten zu Gast in Hildburghausen, Schleusingen und Meiningen.