Fragen und Antworten Demonstrations-Recht: Wer darf was und warum?

Regelmäßig treffen sich auch in Ilmenau Montags-Spaziergänger. Foto: Danny Scheler-Stöhr

Wohl noch nie gab es in Südthüringen so viele Demonstrationen wie in diesen Wochen der „Corona-Spaziergänge“. Aber auch noch nie so viele Irritationen über die Frage „Was ist erlaubt und was nicht?“ Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um die Versammlungsfreiheit:

 
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Brauche ich eine Erlaubnis, wenn ich mit anderen Menschen für mein Anliegen auf die Straße gehen oder mich treffen will?

Nein. Das Versammlungsrecht ist ein Grundrecht, auf einer Ebene mit der Meinungsfreiheit oder der Glaubensfreiheit. Daher ist dessen Ausübung nicht von einer Erlaubnis oder einem Antrag abhängig. „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“, heißt es in Artikel 8 des Grundgesetzes. Auch Ort und Zeit einer Demo sind frei wählbar. Ausnahmen gibt es nur für Gruppen und Menschen, die als verfassungsfeindlich eingestuft sind.

Aber trotzdem reden Behörden und Polizei bei Demonstrationen ein Wörtchen mit. Warum?

Weil im Grundgesetz -Artikel auch steht: „Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz (...) beschränkt werden.“ Das Versammlungsgesetz sieht vor, dass Demos spätestens zwei Tage vor ihrer Ankündigung bei der örtlichen Versammlungsbehörde angemeldet werden müssen. In Thüringen ist dies das Landratsamt oder das Rathaus der kreisfreien Stadt.

Also braucht man doch eine Genehmigung?

Nein. Die Versammlungsbehörde prüft nur, ob die geplante Demo die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder andere Interessen gravierend beeinträchtigen könnte. Etwa, weil sie den Straßenverkehr stark behindert. Oder weil Teilnehmer vorher Gewalttaten angekündigt haben. Oder weil sie gegen andere Gesetze (etwa die Teilnehmerlimits der Corona-Regelwerke) verstößt. Dementsprechend darf die Behörde Auflagen erteilen: Sie kann eine bestimmte Route vorschreiben oder verbieten. Sie kann das Stattfinden an die Bedingung knüpfen, dass bestehende Vorschriften eingehalten werden (zum Beispiel Abstandsregeln während der Pandemie, Lärmschutz vor einem Krankenhaus). Im äußersten Fall darf die Behörde die Demo verbieten, etwa wenn sie Anhaltspunkte dafür hat, dass mit massiven Gesetzesbrüchen zu rechnen ist.

Dabei müssen die Beamten immer abwägen zwischen dem Grundrecht auf Versammlung und den Rechten anderer, die dadurch womöglich verletzt werden. Gegen Auflagen und Verbote können die Veranstalter klagen, dann entscheidet ein Richter.

Aber warum mischt sich dann die Polizei ein?

Die Versammlungsbehörde entscheidet unabhängig von der Polizei über mögliche Auflagen oder Verbote. Sie wird aber im Vorfeld den Sachverstand der Polizei nutzen, um mögliche Gefahren besser einschätzen zu können.

Während der Demos ist es Aufgabe der Polizei, die Einhaltung von Vorschriften und Auflagen zu überwachen, sie durchzusetzen und sowohl Demonstrierende als auch Unbeteiligte zu schützen, notfalls mit Gewalt. Dabei ist sie an Recht und Gesetz gebunden und, was die Verantwortung betrifft, dem polizeilichen Einsatzleiter unterstellt, der in der Regel ein führender Beamter der Landespolizei ist. Weder die Versammlungsbehörde noch Landräte oder Bürgermeister haben eine Weisungsbefugnis gegenüber der Polizei.

Darf die Polizei Demos verbieten oder auflösen?

Wenn sie zu der begründeten Einschätzung kommt, dass massiv gegen Auflagen oder andere Gesetze oder Verordnungen verstoßen wird: Ja. Dabei hat sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Gravierende Maßnahmen sind nur bei gravierenden Verstößen zulässig.

Darf die Polizei dabei auch Gewalt anwenden?

Ja, als letztes Mittel, wenn anders unmittelbare Gefahren oder erhebliche Rechtsverstöße nicht zu verhindern sind. „Unmittelbarer Zwang“ heißt das bei der Polizei, wenn sie etwa – nach erfolglosen Vorwarnungen oder bei konkreter Gefahr – eine Gruppe mit Pfefferspray, Knüppeln oder Wasserwerfern davon abhält, eine untersagte Route zu nehmen. Oder Teilnehmer wegdrängt, die sich anschicken, eine Absperrung trotz Hinweises zu ignorieren.

Das ist auch erlaubt, wenn es sich nicht um Straftaten, sondern nur um Ordnungswidrigkeiten handelt, etwa, wenn Leute keine Masken aufsetzen?

Auch das Registrieren von Ordnungswidrigkeiten gehört zu den Aufgaben der Polizei. So kann sie bei Verstößen die Personalien aufnehmen und das notfalls durch Festhalten oder Einkesseln, bei Widerstand auch durch Festnahme, durchsetzen. Allerdings gibt es hier großen Ermessensspielraum. Die Polizei kann auf ein Eingreifen verzichten, wenn dieses zu einer Eskalation führen würde.

Wenn ich mit anderen spazieren gehe, das ist dann doch keine Versammlung.

Das ist es sehr wohl, sobald das Ganze vorher angekündigt und/oder organisiert wird. Ein Spaziergang, zu dem über Telegram-Gruppen aufgerufen wird, ist rechtlich gesehen eine Versammlung. Ebenso wie echte Demonstrationen zählen diese Spaziergänge als „Aufzug“, was nichts anderes ist als eine Versammlung, die sich durch die Straßen bewegt.

Und wenn ich mich einfach spontan mit anderen treffe?

Demos aus aktuellem Anlass (etwa nach einem Gesetzesbeschluss) sind auch ohne die Zwei-Tages-Anmeldefrist möglich. Zeitgleich mit dem Aufruf muss aber trotzdem eine Anmeldung eingereicht werden, damit die Versammlungsbehörde gegebenenfalls reagieren kann. Eine Anmeldung entfällt, wenn man sich gänzlich ungeplant und ohne einen Veranstalter trifft, etwa nach einem Fußballsieg oder als Reaktion auf ein Attentat. In diesem Fall muss die Polizei diese Spontandemo dulden, falls nicht andere Rechtsverstöße vorliegen. Über etwaige Auflagen oder Demo-Routen entscheidet dann die Polizei selber. Eine Spontandemo liegt aber nicht vor, wenn vorher Aufrufe kursieren oder es einen festen Termin gibt. In diesem Fall darf die Polizei die Versammlung auflösen und die Teilnehmer nach Hause schicken.

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