Anti-Impf-Appell Regiomed: Diese Ärzte ignorieren die Wissenschaft

Die Leitung der Regiomed-Kliniken hat die Fundamentalkritik einiger ihrer Ärzte an den Coronaregeln als „unwissenschaftlich“ und schädlich für das Vertrauen in die Medizin bezeichnet. In den Krankenhäusern in Coburg und Hildburghausen werde weiterhin auf Hygieneregeln, Impf-und Teststatus geachtet, heißt es in einer Reaktion. Halten sich die betreffenden Ärzte daran, drohen ihnen wohl keine Konsequenzen.

 
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Hier finden nicht alle Ärzte das Impfen gut: Klinikum Hildburghausen. Foto: frankphoto.de/Bastian Frank

Coburg/Hildburghausen - Die Leitung des Klinikverbunds Regiomed distanziert sich von Forderungen mehrerer ihrer leitenden Ärzte in Coburg und Hildburghausen, wonach alle staatlichen Corona-Regeln abgeschafft gehören. Die am Mittwoch in einem Anzeigenblatt veröffentlichte Fundamentalkritik an Test- und Impfvorschriften widerspreche den Erkenntnissen der Medizin, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme der Regiomed-Geschäftsführung in Coburg.

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Gerade in der gegenwärtigen zugespitzten Lage hätten Beschäftigte im Gesundheitswesen eine besondere Vertrauensposition in der Bevölkerung, so die Klinikleitung. „Daher können wir die öffentlich getätigten Äußerungen nicht nachvollziehen, da sie nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Wir bedauern, wenn diese Aussagen zu Verunsicherung oder zu einem Vertrauensverlust in die Leistungsfähigkeit der medizinischen Versorgung führen.“

Alle Mitarbeiter bei Regiomed seien verpflichtet, „ihre Arbeit an den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen auszurichten“ sowie Infektionsschutz- und Hygieneregeln strengstens umzusetzen. Ein Handeln gegen diese Regeln werde nicht toleriert, heißt es in der Stellungnahme weiter.

Der Geriatrie-Chefarzt in Hildburghausen, eine ebenfalls in der Altersmedizin tätige Oberärztin und ein Urologie-Oberarzt in Coburg sowie rund 50 weitere Ärzte, Therapeuten, Pfleger und eine Apothekerin aus der Region hatten ein Ende aller Pandemie-Vorschriften gefordert. Insbesondere kritisieren sie die im Alltag vorgeschriebenen Impf- und Testnachweise – und damit die Impf- und Schutzstrategie, die von Regiomed wie von nahezu allen Kliniken, Wissenschaftlern und Berufsverbänden als einziger Weg aus der Pandemie und als notwendiger Schutz vulnerabler Gruppen vor Erkrankung und Tod angesehen wird.

Arbeitsrechtliche Konsequenzen wird die Aufsehen erregende Erklärung der Impfkritiker nicht haben, auch wenn die beiden Altersmediziner in Hildburghausen und Coburg genau solche vulnerablen Patienten betreuen. Die Mitarbeiter hätten als Privatpersonen gehandelt, und als solche sei ihnen selbstverständlich gestattet, ihre Meinung frei zu äußern, so die Regiomed-Chefs. „Wir werden mit allen betroffenen Kollegen persönliche Gespräche führen“, kündigte eine Sprecherin auf Nachfrage unserer Zeitung an. Einige befänden sich derzeit im Urlaub.

Deutlicher schärfer als Regiomed verurteilen verschiedene Vertreter der Ärzteschaft die Aussagen der Südthüringer Mediziner. „Die Landesärztekammer ist angesichts der Pandemiesituation in Thüringen entsetzt, wie Kollegen die Lage hier in unserem Bundesland verkennen und übersehen, dass ärztliche Kolleginnen und Kollegen im wahrsten Sinne des Wortes tagtäglich um das Leben von Coronapatienten kämpfen – und auch in unseren Praxen arbeiten wir angesichts der hohen Inzidenz am Limit“, sagte die Präsidentin der Kammer, Ellen Lundershausen. Die Coronabeschränkungen seien eine notwendige Folge dieser mehr als schwierigen Situation, die sich niemand wünsche.

Von der Landeskrankenhausgesellschaft hieß es, man wolle sich zwar zu konkreten Einzelfällen nicht äußern. Der Geschäftsführer des Verbandes, Rainer Poniewaß, sagte aber auch: „Aus unserer Sicht ist das ärztliches Handeln mit einer solchen Haltung nicht vereinbar.“ Wie die Landesärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung spreche man sich klar für das Impfen aus. Mögliche arbeitsrechtliche Schritte gegen die Klinikärzte, die den Aufruf mit unterschrieben haben, oblägen ihren Arbeitgebern.

Ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringens wies darauf hin, dass die in der Erklärung angesprochene Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus dem September stammt. Damals sei die Inzidenz- und Infektionslage eine völlig andere gewesen als heute. Damit verzerre der offene Brief die Darstellung KBV, was gewiss nicht in deren Sinn sei. Eine „Bagatellisierung der äußerst ernsten Infektionslage“ lehne die KV „kategorisch ab“. Die Corona-Impfungen seien der einzige verlässliche Weg aus der Pandemie – und damit auch aus Einschränkungen, die ein noch stärkere Ausbreitung des Virus verhindern sollten.

Bei dem offenen Brief handele es sich in erster Linie um eine Meinungsäußerung derer, die ihn unterzeichnet haben. Eine solche Meinung stehe ihnen wie allen anderen Menschen in Deutschland frei. „Daraus allein lässt sich noch keine Schlussfolgerung auf die Erfüllung des ärztlichen Versorgungsauftrages ziehen“, sagte der KV-Sprecher. Sollte es aber Beschwerden über eine Behandlung durch einen dieser Ärzte geben, werde man solche Fälle genau prüfen.

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