Jahrelang hatte Grimm den Bunker nicht betreten. Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs denkt er wieder öfter über das Bauwerk nach. Die schwere Eingangstür klemmt, das Trinkwasser müsste getauscht und das Inventar abgestaubt werden. „In zwei bis drei Tagen wäre er aber wieder einsatzfähig“, schätzt er. Schon einmal, nach dem Atomunfall in Tschernobyl 1986, wäre der Bunker fast zum Einsatz gekommen. Nachbarn, die vorher darüber gelästert hatten, wollten hier ihre Kinder plötzlich in Sicherheit bringen.
Beim Bunkerbauer steht das Telefon nicht mehr still
Während es bei Grimm dem Zufall geschuldet ist, dass er einen bombensicheren Keller besitzt, legen sich andere ganz bewusst einen solchen Raum zu. Dabei klang allein der Gedanke bis vor Kurzem noch abwegig. Ein Bunker unter dem eigenen Haus: Wer macht so etwas? Abgesehen von exzentrischen Promis und Spinnern, die sich auf den Weltuntergang vorbereiten?
Doch offenbar gibt es mehr Interessierte, als man denkt – aber wenige Anbieter. Das Berliner Bauunternehmen BSSD ist eine von wenigen Firmen in Europa, die private Bunker bauen. „Vor dem Ukraine-Krieg hatten wir vielleicht fünf Anrufe pro Tag“, sagt Mitinhaberin Katrin Piejde. Heute stehe das Telefon nicht mehr still. „Viele unserer Kunden haben wirklich Angst aufgrund der weltpolitischen Lage“, sagt Piejde. „Die denken, ‚der Russe’ steht gleich vor der Tür.“
Einen Panikraum gibt’s schon ab 11 000 Euro
Viele Produkte, die die Firma anbietet, kosten deutlich über 100 000 Euro – bis hin zur Luxusvariante mit Kochnische und vierfachem Stahlkörper. Neben Bunkern bietet BSSD aber auch sogenannte Panikräume an, die ab etwa 11 000 Euro erhältlich sind.
Laut Piejde gehören nicht nur Superreiche zum Kundenstamm. Leute, die sich schützen oder etwas verbergen wollen, gebe es schließlich immer. Ein Krieg sei dabei nur eine von vielen Gefahrenlagen. Auch vor Amokläufen oder normalen Einbruchdiebstählen sollen die Bollwerke schützen.
Bei Michael Grimms geerbtem Privatbunker ist indessen noch nicht ganz klar, wie es weitergeht. Noch wirkt der Schutzraum wie ein Provisorium. Ein Waschbecken liegt auf dem Boden, ein einsamer Holzstuhl lehnt an der Wand. Wird der Raum in Zukunft als Abstellkammer dienen? Oder doch wieder flottgemacht?
Michael Grimm will diese Entscheidung seinen Kindern überlassen, die demnächst in das Haus einziehen. „Eins ist jedenfalls klar“, sagt der 67-Jährige, als er den schmalen Notausstieg betrachtet. „Für adipöse Menschen wurde dieser Bunker nicht gebaut.“
Vom Versteck zur Wohnung
Staatseigentum
Jahrelang hat die Bundesrepublik versucht, alte Luftschutzbunker loszuwerden. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben betreibt sogar eine eigene Website („Faszination Bunker“). Vielerorts griffen Investoren zu, um die Betonbauten in Museen, Hotels oder Luxus-Wohnungen umzubauen.
Verkauf
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat die Bundesregierung umgesteuert. Wer heute auf die Website schaut, findet nur noch Links zu verkauften Bunkern. Neue sind nicht mehr im Angebot.