Inzwischen habe die Kriminalpolizei die Ermittlungen übernommen und ermittele nun nicht nur gegen den Angreifer, sondern auch gegen die Umstehenden.
Seit dem vergangenen Jahr treffen sich in Schmalkalden am Montagabend Bürgerinnen und Bürger zu einem Spaziergang gegen die Corona-Maßnahmen. Ihr Symbol sind Regenschrirme mit dem Regenbogen. Bisher verliefen die Spaziergänge friedlich. Ralph Eckardt, Gründer des so genannten Neuen Schmalkaldischen Bundes, erklärte am Dienstag, die Eskalation vom Montagabend sei "eine unnötige Aktion von beiden Seiten." Deeskalation stehe für ihn immer an erster Stelle. Nach über einem Jahr lägen aber die Nerven überall blank. Auf beiden Seiten. Dennoch dürfe so etwas nicht passieren.
Landrätin Peggy Greiser verurteilte die Übergriffe scharf. "Die Freiheit, die unsere Demokratie trotz aller derzeitigen Einschränkungen bietet, ist nicht die Freiheit gegen andere Menschen Gewalt auszuüben und deren Gesundheit massiv zu gefährden", so Greiser. Auch die Meinungsfreiheit ende da, wo Menschen beleidigt werden und Hetze erfahren. Innenminister Georg Maier (SPD) twitterte: "Unerträgliche Szenen in Schmalkalden, die das Gewalt- und Hasspotenzial von Querdenkern zeigen. Ermittlungen laufen auf Hochtouren, um Aggressoren habhaft zu werden. Rechtsstaat muss konsequent gegen Radikalisierung und Hass vorgehen." Auch der Chef des Lande-Verfassungsschutzes, Stephan J. Kramer, beklagte, dass Radikalisierung und Aggressivität stetig zunähmen.
CDU-Innenpolitiker Raymond Walk - selbst Polizeibeamter - zeigte sich von den Aufnahmen aus Schmalkalden empört. Es sei nicht nur verstörend, zu sehen, wie ein gutes Dutzend Demonstranten gegenüber den Polizisten gewalttätig wird, hinzu komme, dass andere Teilnehmer nicht etwa deeskalierend einschreiten, sondern die Gewalttaten mit ihren Handys filmten. "Das zeigt deutlich, wie verkommen die Sitten der Corona-Gegner inzwischen geworden sind", so Walk.
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Hintergrund: Corona-Leugner der Region
Sie halten Corona für harmlos wie eine Grippe, die Pandemievorschriften für Zeichen einer Diktatur, lehnen Tests und Impfungen ab und sich selbst als „Querdenker“: Diese oft vereinfachend als Corona-Leugner oder -Kritiker bezeichneten Menschen finden auch in Südthüringen ihre Anhänger. Vor allem in Meiningen, Schmalkalden und Sonneberg erhalten ihre Demos Zulauf. Seit den strengeren Versammlungsregeln wurden manche Kundgebungen eingestellt, andere werden halb- und illegal als „Spaziergänge“ oder Autokorsos organisiert.
In Meiningen versammelten sich unter Slogans wie „Mut zur Wahrheit“ oder „Bürger für Freiheit und Demokratie“ immer wieder bis zu 150 Menschen – friedlich. Die Sonneberger Bewegung hat sich als „Sonneberg zeigt Gesicht“ sogar als Verein etabliert. Dessen Auftritte verliefen zunächst zwar wie üblich verbalradikal, aber ohne Verstöße. Das änderte sich erst, als wütende „Querdenker“ nach einem „Stadtbummel“ mit 60 Teilnehmern im Februar versuchten, das Impfzentrum zu stürmen.
Die Corona-Leugner in Schmalkalden hatten voriges Jahr mit Stargast Uwe Steimle den Reigen öffentlicher Corona-Proteste eröffnet. Inzwischen sind sie die Radikalsten. Im Februar hatte die bedrohliche Belagerung des Privathauses des Bürgermeisters von Floh-Seligenthal für Aufsehen gesorgt. Der Mann hatte sich für Coronatests ausgesprochen. Der Eigenname „Neuer Schmalkaldischer Bund“ spielt an auf den „Schmalkaldischen Bund“, in dem im 16. Jahrhundert evangelische Fürsten gegen den katholischen Kaiser aufbegehrten. Anführer Ralph Eckardt, Inhaber eines Wasserbaubetriebs und Musikproduzent, inszeniert den Widerstand als Revolte, unter anderem mit einem Videoclip.