Abfalltonne vor dem Altar Und zack, fliegen die Brötchen in den Müll

Wolfgang Swietek

Bei einem Festgottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche in Eisfeld stand nicht nur eine Mülltonne vor dem Altar. Der Pfarrer warf vor aller Augen auch Lebensmittel fort. Was hatte das zu bedeuten?

 
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Eisfeld - Einen „etwas anderen Gottesdienst“ hatte Steffen Pospischil, der neue Pfarrer der Kirchgemeinde Eisfeld, versprochen. Bereits optisch war dies am Sonntag sichtbar. Ist doch eine Mülltonne im Altarraum recht ungewöhnlich, daneben noch ein gefüllter Einkaufswagen eines Supermarktes. „Lassen Sie sich überraschen“, hatte der Pfarrer angekündigt, als er an einer gedeckten Tafel Platz genommen hatte.

Das Datum 3. Oktober hätte eigentlich eher einen Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit erwarten lassen. Doch dieser Feiertag spielte am Sonntag in der Dreifaltigkeitskirche eine eher untergeordnete Rolle. Lediglich Klaus Stark, der Geschäftsführende Vorstand vom Diakoniewerk der Superintendenturen Sonneberg und Hildburghausen/Eisfeld, erinnerte daran, dass gleich nach der politischen Wende im Jahr 1990 das Diakoniewerk gegründet werden konnte, das nun bereits seit mehr als drei Jahrzehnten eine erfolgreiche, engagierte Arbeit leistet.

Im Jahr 2009 kamen dann in beiden Kirchenkreisen die Tafeln hinzu, die seitdem für viele Menschen eine Art Rettungsanker in der Bewältigung ihres Alltags darstellen. „Eigentlich könnten alle unsere Tische gut gedeckt sein, und das an jedem Tag der Woche“, begann Pfarrer Steffen Pospischil, der am diesjährigen Diakonie-Sonntag auf eine Predigt im sonst gewohnten Stil und auch auf seinen Platz auf der Kanzel verzichtete. Dagegen hatte er hinter dem reichlich gefüllten Einkaufswagen Aufstellung genommen.

Stück für Stück der gut aussehenden Waren darin – von der Melone und vielen anderen Früchten bis hin zu Brot und Brötchen – schleuderte der Pfarrer in hohem Bogen in die Mülltonne. Um optisch sichtbar zu machen, wie durchaus noch verwendbare Lebensmittel Tag für Tag im Müll landen. Und das tonnenweise in unserem Land, einem der reichsten der Erde. „Jeder könnte vom Reichtum dieser Erde etwas abbekommen, wenn sich die Menschen nur etwas vernünftiger verhalten würden“, appellierte der Pfarrer auf recht drastische, aber anschauliche Weise an das Gewissen der Besucher in der Dreifaltigkeitskirche.

Dann doch ein Blick in die Bibel, wie es einem Pfarrer zukommt. Von der „wunderbaren Brotvermehrung“ sprach der Pfarrer, als die Jünger zu Jesus kamen und ihm erzählten, dass für die etwa viertausend Pilger nur sieben Brote da seien und ein paar kleine Fische. Jesus brach das Brot, und bat die Jünger, es unter das Volk zu verteilen. Alle wurden satt, und am Ende sammelten die Jünger noch etliche Körbe mit Brot ein.

„Die Geschichte hat jeder von uns schon des Öfteren gehört. Aber können wir uns heute noch vorstellen, dass das Brot von Montag bis Freitag reichen muss? Ist uns eigentlich bewusst, dass es auch heute noch viele Menschen gibt, die nicht wissen, woher sie ihr tägliches Brot nehmen sollen? Und dabei wandern im reichen Deutschland jeden Tag gesunde Lebensmittel tonnenweise in die Mülltonnen!“ Dieser Irrsinn müsse endlich aufhören.

Jeder könne durch sein Verhalten dazu einen Beitrag leisten. Die Tafeln haben es sich zur Aufgabe gemacht, wie es in der Bibel heißt: „Einzusammeln, was übrig ist. Und das denen zu geben, die es dringend brauchen.“

Im Gespräch mit Pfarrer Steffen Pospischil erläuterte Diana Gütter von der Tafel Hildburghausen, wer alles Anspruch hat, sich von dieser sozialen Einrichtung helfen zu lassen. In Deutschland gibt es Lebensmittel im Überfluss, war da zu erfahren. Und dennoch haben viele Menschen nicht genug zu essen. Die Tafeln schaffen einen Ausgleich. Sie sammeln „überflüssige“, aber noch einwandfreie Lebensmittel und geben sie an Bedürftige weiter.

Die Tafel in Hildburghausen ist die 31. in Thüringen und Mitglied im Bundesverband Deutscher Tafeln, dem bereits rund 930 Tafeln deutschlandweit angehören. Durch die Hildburghäuser Tafel werden derzeit wöchentlich rund 145 Kinder und 260 Erwachsene aus dem gesamten Landkreis unterstützt.

Lebensmittel dürfen nach dem aufgedruckten Verbrauchsdatum nicht mehr verkauft werden, aber jeder weiß, dass sie noch etliche Tage danach ohne Probleme verzehrt werden können. Deshalb holen die Tafeln diese Waren ab und verteilen sie an bedürftige Bürger.

„Wir wünschten uns, dass noch mehr Menschen zu uns kommen und dadurch Lebensmittel nicht ‚entsorgt’ werden müssten“, sagt Diana Gütter. „Ich schäme mich, dass ich mir das von allein nicht leisten kann“, sei eine viel geäußerte Meinung von Kunden der Tafel. Pfarrer Steffen Pospischil hielt dagegen: „Ich würde eher sagen: Ich schäme mich, dass Lebensmittel in dieser Menge weggeworfen werden.“

Nachdem bereits der Eisfelder Kirchenchor den Gottesdienst musikalisch bereichert hat, griff der Pfarrer selbst noch einmal zum Mikrofon. Begleitet von Kantor Andreas Förster am Klavier, sang er das Lied von Gerhard Schöne: „Lieber Freund, komm zu Tisch, hier ist Platz noch für dich. Was du geben kannst, leg’ in die Runde. Sei es Wein, sei es Schmalz, es ist gut zu gegebener Stunde. So muss ein Festmahl sein. Jeder bringt etwas ein. Jeder nimmt etwas mit. Ein Törtchen, ein Wörtchen, ein Lied.“

Gelebte Barmherzigkeit, so der Tenor dieses Gottesdienstes. Da zu sein für all jene, die Hilfe und Unterstützung brauchen. Da zu sein, um die Not zu wenden.

Am kommenden Wochenende gibt es erneut zwei Höhepunkte in der Eisfelder Kirchgemeinde. Am Samstag, dem 9. Oktober, wird um 17 Uhr zum Justus-Jonas-Gedenken am Grab auf dem Alten Friedhof eingeladen zu dessen Todestag. Am Tag darauf, am Sonntag, 10. Oktober, wird um 9.30 Uhr zum Erntedankfest in die Dreifaltigkeitskirche Eisfeld eingeladen.

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