Der Familienunternehmer positionierte sich in der Vergangenheit auch immer wieder politisch. Vor einem guten Jahr machte er zum Beispiel Schlagzeilen, als er seinen Beschäftigten in Deutschland davon abriet, für die AfD zu stimmen. In einem fünfseitigen Schreiben warnte er mögliche Protestwähler damals: "Bloß wegen ein bisschen Spaß an der Freude Rabatz zu machen und aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen, ist einfach zu wenig." Niemand müsse hierzulande hungern oder frieren.
Erfolgsgeschichte hat auch Ecken und Kanten
Aber auch in der Aufstiegsgeschichte von Würth gab es weniger glanzvolle Aspekte: Einen Betriebsrat gab es bei Würth in Deutschland zum Beispiel bis 2019 nicht. Zwar ohne Schaden für die Belegschaft - die Bezahlung war eher überdurchschnittlich, das Betriebsklima intakt. Doch mit einzelnen Arbeitnehmervertretern lag der Konzern immer mal wieder im Clinch.
Die Chefin der IG Metall in Baden-Württemberg, Barbara Resch, sagte über Würth: "Gerade die heutige Zeit braucht mutige und demokratisch engagierte Unternehmer wie Reinhold Würth." Ein konstruktiver Dialog und gegenseitiger Respekt seien aber entscheidend für das Wohl der Beschäftigten und den langfristigen Erfolg des Unternehmens. "Das gilt auch für Würth."
Generationenwechsel im Schrauben-Imperium
Aus dem Tagesgeschäft ist Würth vor mehr als 30 Jahren ausgestiegen. Bereits damals gehörte die Firma mehreren Stiftungen. Zu oft hatte Würth miterlebt, wie andere Familienunternehmen im Erbgang litten oder zerfielen. Aber auch nach seinem Ausscheiden wachte der Patriarch über die Entwicklung seines Konzerns. Die Geschäftszahlen hatte er stets parat. Er freute sich besonders darüber, dass 2023 die 20-Milliarden-Grenze beim Umsatz geknackt wurde. Aktuell hat der Konzern aber mit der Konjunkturkrise zu kämpfen. Für 2024 rechnete Würth mit weniger Erlös und einem Gewinneinbruch.
Ganz weg war Würth ohnehin nie: Als Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrats war er an den wichtigen strategischen Weichenstellungen beteiligt. Erst kürzlich - nach mehr als 75 Arbeitsjahren - zog der Familienunternehmer auch hier einen Schlussstrich: Seit Jahresbeginn hat die Enkelgeneration das Sagen. Das Wort des "alten" Würth dürfte zwar weiterhin Gewicht haben in Künzelsau. Groß einmischen wolle er sich aber nicht: "Ich quatsche aus dem Hintergrund vielleicht schon noch ein bisschen rein. Aber ich werde mich zurückhalten".
Sorgen um die Zukunft des Konzerns machte sich Würth zuletzt nicht. Privat wolle er es nun lässiger nehmen und sehr viel privat machen, sagte er. Seinen Geburtstag feiert er einer Sprecherin zufolge im Familienkreis. Ende April soll es außerdem einen Festakt in Künzelsau geben. Gut möglich, dass Reinhold Würth seine Gedanken im Anschluss in seinem Tagebuch notiert. So wie er es in seinem Leben schon oft getan hat.