Andreas Pietschmann: Zunächst einmal bin ich da dankbarer Zaungast, denn dadurch, dass Jasmin und David Klein sich schon lange mit Tucholsky beschäftigen und einige Lieder fest im Repertoire haben, gibt ihre gemeinsame Musik die Richtung vor. Sie haben mir da sozusagen die Tür zu Tucholsky geöffnet. Wir haben dann zusammen nach passenden Lesetexten gesucht, wobei uns Peter Böthig, bis 2024 Leiter des Kurt-Tucholsky-Literaturmuseums im Schloss Rheinsberg, eine unschätzbare Hilfe war, und eine Auswahl getroffen. Auch David hat dabei Vorschläge eingebracht.
Ist das Tucholsky-Programm eigentlich die einzige künstlerische Zusammenarbeit des Schauspielerpaares Tabatabai/Pietschmann?
Andreas Pietschmann: Im Augenblick ja. Sehr selten haben wir auch mal die Chance, gemeinsam vor der Kamera zu stehen. Aber im vergangenen Jahr ist es gelungen, als ich in einer Episode von Jasmins Serie „Letzte Spur Berlin“ mitspielen durfte.
Wie man bereits 2019 beim Konzertabend in Suhl erleben konnte, ist die künstlerische Symbiose, bestehend aus der Sängerin Jasmin Tabatabai und dem kongenialen David Klein als musikalischem Arrangeur, wunderbar aufeinander abgestimmt. Nun kommt mit Andreas Pietschmann eine weitere tragende Rolle dazu. Welche Rolle übernehmen Sie in dem eingespielten Team?
Andreas Pietschmann: Das Herz des Abends sind ganz klar die Lieder, die Jasmin zusammen mit dem David Klein Quartett interpretiert. Ihre Musik weckt sofort Emotionen. Ich kann sie als Gast mit den geistreichen und pointierten Texten Tucholskys sozusagen garnieren und versuchen, vielleicht den einen oder anderen zum Nachdenken oder zum Schmunzeln zu bewegen.
Nicht lange nach dem Konzertabend 2019 hat sich die Kulturlandschaft in Deutschland stark verändert. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie sowie die neuen, brutalen Kriege weltweit sind für diese Veränderungen verantwortlich. Wie nehmen Sie in Ihrem künstlerischen Leben, aber auch privat diese Entwicklungen wahr – und wie gehen Sie damit um?
Andreas Pietschmann: Die Corona Pandemie hat unsere Branche genauso unvorbereitet getroffen wie alle anderen. Als unsere gesamte Gesellschaft versuchen musste, Schaden insbesondere von ihren schwächsten Mitgliedern abzuhalten, ohne dabei auf jegliche Erfahrung zurückgreifen zu können, musste auch die Kultur viele Opfer bringen. Der Einsatz von uns Kulturschaffenden galt auch der Notwendigkeit, Kultur in unserem Land nicht als verzichtbares Luxusgut, sondern als wesentliche und unabdingbare Säule der Gesellschaft zu verstehen. Die Kultur kann beispielsweise schnell auf Ereignisse in der Welt reagieren, wichtige Fragen aufwerfen und zum Nachdenken und zum Diskurs anregen. Insofern ist ein Abend mit Texten des Kriegskritikers Tucholsky brandaktuell: „Und ein Schrei von Millionen stieg auf zu den Sternen. - Werden die Menschen es niemals lernen?“
Zurück zu Tucholsky, der ja zeitlebens ein politisch engagierter Journalist war, somit als Gesellschaftskritiker in der Tradition Heinrich Heines stand und dessen Bücher 1933 von den Nationalsozialisten verbrannt wurden. Es gibt einige Wissenschaftler und Intellektuelle, die in der heutigen Zeit Parallelen zur Weimarer Republik sehen. Zudem ist das weltweite Erstarken der Rechten unübersehbar. Sehen Sie heute Möglichkeiten, Chancen oder gar eine Verpflichtung, das Kunst und Kultur und deren Protagonisten, also die Künstler selbst, sich künstlerisch wieder stärker politisch positionieren sollten, als nur unterhalten zu wollen?
Jasmin Tabatabai: Natürlich ist es richtig und nicht unwichtig, wenn Kulturschaffende eine klare Haltung beziehen - was viele auch tun. Aber wir fällen keine politischen Entscheidungen. Und ich halte es für sehr bedenklich, wenn sich Regierung und Opposition von rechten Populisten vor sich hertreiben lassen und deren Narrative übernehmen, in der Hoffnung ein paar Stimmen abzugreifen. Das wird nicht funktionieren und stärkt am Ende nur die Rechten. Dasselbe gilt übrigens auch für die Presse.
Letzte Frage: Welche künstlerischen Projekte stehen bei Ihnen in den kommenden Monaten an? Wo und in welchen Produktionen kann man Jasmin Tabatabai und Andreas Pietschmann sehen?
Jasmin Tabatabai: Ich drehe gerade eine Miniserie für die ARD, die glaube ich wieder sehr spannend wird (mehr Details gibt es leider erst später). Im Herbst habe ich neben weiteren Konzertterminen einige Lesungen von dem außergewöhnlichen historischen Roman „Die Lungenschwimmprobe“ von Tore Renberg. Und dann weihnachtet es schon und ich freue mich auf den ZDF-Weihnachtsfilm „Zitronenherzen“, den ich mit den wunderbaren Kolleginnen Leslie Malton und Paula Kalenberg drehen durfte.
Andreas Pietschmann: Im Augenblick bereite ich mich für eine Rolle in einer neuen Serie vor, über die ich aber noch nicht mehr verraten darf. In manchen Kinos ist momentan noch „Die Ermittlung“ in der Regie von R.P. Kahl zu sehen, ein außergewöhnliches Projekt über den ersten Ausschwitzprozess in Deutschland nach dem Theaterstück von Peter Weiss und übrigens ein gutes Beispiel für politische Positionierung von Kulturschaffenden! Und ich freue mich, wenn ich die Termine für einen neuen Tatort aus Köln erfahre, bei dem ich in diesem Frühsommer mitgearbeitet habe sowie für den Kinostart des amerikanischen Kino-Films „Nürnberg“.
Jasmin Tabatabai, Andreas Pietschmann und das David Klein-Quartett: „Hellsichtige Boshaftigkeiten - Ein Tucholsky-Abend“ am Freitag, 4. Oktober, um 19.30 Uhr im Großen Haus des Meininger Theaters. Karten gibt es im Theater und unter www.staatstheater-meiningen.de