24. Provinzschrei Tucholsky, Musik und Emotionen

Hendrik Neukirchner

Am Freitag, 4. Oktober, ist das Schauspieler- und Musiker-Paar Jasmin Tabatabai und Andreas Pietschmann mit einem besonderen Tucholsky-Programm im Meininger Theater zu erleben. Was die Besucher erwartet und wie sie an Karten kommen:

 
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Das Schauspieler- und Musiker-Paar Jasmin Tabatabai und Andreas Pietschmann. Am Freitag sind sie mit einem Tucholsky-Programm in Meiningen zu erleben. Foto: picture alliance/dpa/Annette Riedl

Am 4. Oktober wird der 24. Provinzschrei mit einem literarischen Konzertabend im Meininger Staatstheater fortgesetzt. Stargäste sind dabei die bekannte Schauspielerin und Musikerin Jasmin Tabatabai, ihr nicht minder populärer Schauspielkollege und Lebenspartner Andreas Pietschmann und das David Klein-Quartett. Die Redaktion sprach mit den beiden Schauspielern bereits im Vorfeld über die Aktualität von Kurt Tucholskys Texten aber auch über gemeinsame Projekte und das Leben als Schauspielerpaar.

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Liebe Frau Tabatabai, es ist schön, dass man Sie nach 2019 mal wieder im Thüringer Wald erleben kann. Damals spielten Sie gemeinsam mit dem David Klein Quartett ein Konzert beim 19. Provinzschrei im Suhler Congress Centrum mit dem ausverkauften Programm „Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig ist“. Auf was kann sich das Publikum am 4. Oktober im Meininger Staatstheater freuen, wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Lebenspartner Andreas Pietschmann und erneut begleitet vom David Klein Quartett auf der Bühne stehen?

Jasmin Tabatabai: Auf ein tolles Programm mit Texten und Liedern von Kurt Tucholsky, die an Aktualität und Bissigkeit - manche sagen hellsichtigen Boshaftigkeit - auch heute nichts verloren haben. Wir werden heitere Lieder spielen wie „Danach“, wo sich Tucholsky über die Tücken der monogamen Monotonie auslässt, aber auch melancholische wie „Augen in der Großstadt“. Wie gewohnt begleiten mich die hervorragenden Musiker des David Klein Quartetts und als besonderes Highlight konnten wir über persönliche Beziehungen einen Sprecher gewinnen, dessen größter Fan ich seit langem bin: Andreas Pietschmann:)

Stichwort „Hellsichtige Boshaftigkeiten“: Kurt Tucholsky galt als unübertroffener Meister der Satire – und er scheint Sie künstlerisch schon seit geraumer Zeit zu begleiten. Was führt Sie immer wieder hin zu Tucholsky?

Jasmin Tabatabai: Genau genommen war es Kurt Tucholsky, der mich mit meinem langjährigen musikalischen Partner David Klein zusammengebracht hat. Vor über zwei Jahrzehnten lernten wir uns beim Dreh zum Kinofilm „Schloss Gripsholm“ kennen, mit Ulrich Noethen und Heike Makatsch in den Hauptrollen. Ich spielte Billy Sunshine, die Muse Tucholskys und sang einige Lieder mit seinen Texten, die David vertont hat. Das war der Beginn einer langen Zusammenarbeit und mein Einstieg in Jazz und Chanson. Tucholskys

Texte sind intelligent und zeitlos. Sie gehören unverrückbar zu unserem Kulturgut. Sie nicht zu spielen wäre sträflich.

Man findet nicht viele Spieltermine des Programms. Sind die Veranstalter vorsichtig mit dem Stoff, oder haben Sie beide aufgrund der Schauspielerei schlicht zu wenig Zeit, um als Sängerin das Publikum zu begeistern?

Jasmin Tabatabai: Zu unserem Verständnis von Familie gehört, dass möglichst immer einer von uns beiden zuhause bei den Kindern ist. Insofern werden solche gemeinsamen Auftritte eine absolute Ausnahme und Seltenheit bleiben.

Andreas Pietschmann: Und umso mehr freue ich mich daher darauf, an diesem gemeinsamen Abend wieder Jasmins wundervollen Gesang und die großartige Musik des David Klein Quartetts genießen zu können. Dazu gibt es selten Gelegenheit, wenn ihre Konzerte fernab unseres Wohnortes, Berlin, stattfinden.

Wie kann man sich die Annäherung an den Stoff und die künstlerische Bearbeitung dessen beim Schauspielerpaar Tabatabai/Pietschmann vorstellen? Wer ist in diesem schöpferischen Prozess beispielsweise für welchen Part verantwortlich?

Andreas Pietschmann: Zunächst einmal bin ich da dankbarer Zaungast, denn dadurch, dass Jasmin und David Klein sich schon lange mit Tucholsky beschäftigen und einige Lieder fest im Repertoire haben, gibt ihre gemeinsame Musik die Richtung vor. Sie haben mir da sozusagen die Tür zu Tucholsky geöffnet. Wir haben dann zusammen nach passenden Lesetexten gesucht, wobei uns Peter Böthig, bis 2024 Leiter des Kurt-Tucholsky-Literaturmuseums im Schloss Rheinsberg, eine unschätzbare Hilfe war, und eine Auswahl getroffen. Auch David hat dabei Vorschläge eingebracht.

Ist das Tucholsky-Programm eigentlich die einzige künstlerische Zusammenarbeit des Schauspielerpaares Tabatabai/Pietschmann?

Andreas Pietschmann: Im Augenblick ja. Sehr selten haben wir auch mal die Chance, gemeinsam vor der Kamera zu stehen. Aber im vergangenen Jahr ist es gelungen, als ich in einer Episode von Jasmins Serie „Letzte Spur Berlin“ mitspielen durfte.

Wie man bereits 2019 beim Konzertabend in Suhl erleben konnte, ist die künstlerische Symbiose, bestehend aus der Sängerin Jasmin Tabatabai und dem kongenialen David Klein als musikalischem Arrangeur, wunderbar aufeinander abgestimmt. Nun kommt mit Andreas Pietschmann eine weitere tragende Rolle dazu. Welche Rolle übernehmen Sie in dem eingespielten Team?

Andreas Pietschmann: Das Herz des Abends sind ganz klar die Lieder, die Jasmin zusammen mit dem David Klein Quartett interpretiert. Ihre Musik weckt sofort Emotionen. Ich kann sie als Gast mit den geistreichen und pointierten Texten Tucholskys sozusagen garnieren und versuchen, vielleicht den einen oder anderen zum Nachdenken oder zum Schmunzeln zu bewegen.

Nicht lange nach dem Konzertabend 2019 hat sich die Kulturlandschaft in Deutschland stark verändert. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie sowie die neuen, brutalen Kriege weltweit sind für diese Veränderungen verantwortlich. Wie nehmen Sie in Ihrem künstlerischen Leben, aber auch privat diese Entwicklungen wahr – und wie gehen Sie damit um?

Andreas Pietschmann: Die Corona Pandemie hat unsere Branche genauso unvorbereitet getroffen wie alle anderen. Als unsere gesamte Gesellschaft versuchen musste, Schaden insbesondere von ihren schwächsten Mitgliedern abzuhalten, ohne dabei auf jegliche Erfahrung zurückgreifen zu können, musste auch die Kultur viele Opfer bringen. Der Einsatz von uns Kulturschaffenden galt auch der Notwendigkeit, Kultur in unserem Land nicht als verzichtbares Luxusgut, sondern als wesentliche und unabdingbare Säule der Gesellschaft zu verstehen. Die Kultur kann beispielsweise schnell auf Ereignisse in der Welt reagieren, wichtige Fragen aufwerfen und zum Nachdenken und zum Diskurs anregen. Insofern ist ein Abend mit Texten des Kriegskritikers Tucholsky brandaktuell: „Und ein Schrei von Millionen stieg auf zu den Sternen. - Werden die Menschen es niemals lernen?“

Zurück zu Tucholsky, der ja zeitlebens ein politisch engagierter Journalist war, somit als Gesellschaftskritiker in der Tradition Heinrich Heines stand und dessen Bücher 1933 von den Nationalsozialisten verbrannt wurden. Es gibt einige Wissenschaftler und Intellektuelle, die in der heutigen Zeit Parallelen zur Weimarer Republik sehen. Zudem ist das weltweite Erstarken der Rechten unübersehbar. Sehen Sie heute Möglichkeiten, Chancen oder gar eine Verpflichtung, das Kunst und Kultur und deren Protagonisten, also die Künstler selbst, sich künstlerisch wieder stärker politisch positionieren sollten, als nur unterhalten zu wollen?

Jasmin Tabatabai: Natürlich ist es richtig und nicht unwichtig, wenn Kulturschaffende eine klare Haltung beziehen - was viele auch tun. Aber wir fällen keine politischen Entscheidungen. Und ich halte es für sehr bedenklich, wenn sich Regierung und Opposition von rechten Populisten vor sich hertreiben lassen und deren Narrative übernehmen, in der Hoffnung ein paar Stimmen abzugreifen. Das wird nicht funktionieren und stärkt am Ende nur die Rechten. Dasselbe gilt übrigens auch für die Presse.

Letzte Frage: Welche künstlerischen Projekte stehen bei Ihnen in den kommenden Monaten an? Wo und in welchen Produktionen kann man Jasmin Tabatabai und Andreas Pietschmann sehen?

Jasmin Tabatabai: Ich drehe gerade eine Miniserie für die ARD, die glaube ich wieder sehr spannend wird (mehr Details gibt es leider erst später). Im Herbst habe ich neben weiteren Konzertterminen einige Lesungen von dem außergewöhnlichen historischen Roman „Die Lungenschwimmprobe“ von Tore Renberg. Und dann weihnachtet es schon und ich freue mich auf den ZDF-Weihnachtsfilm „Zitronenherzen“, den ich mit den wunderbaren Kolleginnen Leslie Malton und Paula Kalenberg drehen durfte.

Andreas Pietschmann: Im Augenblick bereite ich mich für eine Rolle in einer neuen Serie vor, über die ich aber noch nicht mehr verraten darf. In manchen Kinos ist momentan noch „Die Ermittlung“ in der Regie von R.P. Kahl zu sehen, ein außergewöhnliches Projekt über den ersten Ausschwitzprozess in Deutschland nach dem Theaterstück von Peter Weiss und übrigens ein gutes Beispiel für politische Positionierung von Kulturschaffenden! Und ich freue mich, wenn ich die Termine für einen neuen Tatort aus Köln erfahre, bei dem ich in diesem Frühsommer mitgearbeitet habe sowie für den Kinostart des amerikanischen Kino-Films „Nürnberg“.

Jasmin Tabatabai, Andreas Pietschmann und das David Klein-Quartett: „Hellsichtige Boshaftigkeiten - Ein Tucholsky-Abend“ am Freitag, 4. Oktober, um 19.30 Uhr im Großen Haus des Meininger Theaters. Karten gibt es im Theater und unter www.staatstheater-meiningen.de