„Uns hat das Herz geblutet“, beschreibt Susanne Dobschat das Gefühl, das die Tierschützer hatten, als sie die Zustände im Haus gesehen haben. Die Hunde wurden in Gruppen und teilweise einzeln gehalten, hatten kaum Platz und sahen erschreckend aus. Ob und welches System hinter den Haltungsgruppen steckte, konnten die Tierschützer nicht ausmachen. „Wir dachten ja erst, dass die Tiere nach Geschlechtern getrennt gehalten wurden, aber dem war nicht so“, erklärt Susann Dobschat.
„Wir konnten nicht alle Hunde nehmen“, erinnert sich Kathleen Manzke weiter. „Wir haben schon eine Gruppe mehr mitgenommen als wir wollten.“ Insgesamt 19 Hunde hat das Tierheim Ilmenau mitgenommen. Vielleicht werden es sogar noch mehr, da Hündinnen Welpen bekommen könnten. Die restlichen Lhasa Apsos sind auf die Tierheime in Pflanzwirbach, Hof und Pfaffengrün aufgeteilt.
Aufgeflogen sind diese unmöglichen Tierhaltungszustände nur durch einen Zufall: Die Tochter jener Seniorin, der die Hunde gehörten, konnte ihre Mutter nicht erreichen. Also machte sich die Dame auf den Weg zu ihrer Mutter, unwissend, was sie im Haus erwarten würde. Der Seniorin ging es gesundheitlich tatsächlich nicht gut, sie musste nach einem Sturz ins Krankenhaus eingeliefert werden. Wegen der Hunde informierte die Tochter schließlich den Rudolstädter Tierschutzverein, der wiederum das zuständige Veterinäramt verständigte. Angeblich habe keiner der Dorfbewohner vorher mitbekommen, was in dem Haus vor sich ging.
Böse Absichten unterstellt das Ilmenauer Tierheim der Seniorin nicht. „Die Frau hat es gut mit den Hunden gemeint, es gab zum Beispiel reichlich Futter, die meisten Hunde sind in einem guten Ernährungszustand. Die Frau hat den Überblick über die Hunde verloren“, sagt Kathleen Manzke. Für dieses krankhafte Tiersammeln gibt es sogar einen Fachbegriff: Animal Hoarding – oder zu Deutsch: Tiermessi. Einen vergleichbaren Fall hatte das Tierheim in der vergangenen Zeit nicht. Zuletzt waren die Mitarbeiter im Jahr 2016 an der Rettung von 60 Katzen beteiligt. „Wir wissen nicht, wie viele Häuser es mit einem solchen Elend gibt“, sagt Tierschutzvereinsvorsitzende Ina Schmidt. Sie mahnt die Menschen dazu, aufmerksam zu sein und bei einem Verdacht den Tierschutzverein oder das Veterinäramt zu informieren.
Nach dem Rettungseinsatz begann die immense Arbeit im Ilmenauer Tierheim. Denn die Versorgung der Tiere ist mit einem „großen finanziellen und personellen Aufwand verbunden“, sagt die Tierheimchefin. Zunächst wurden alle Hunde zweimal täglich mit einem oralen Antiparasitenmittel behandelt. Also mussten die Tierheimmitarbeiter die Tabletten ins Futter untermischen und aufpassen, dass alle Hunde die Medizin auch wirklich schlucken – und das, obwohl einige Hunde ohnehin ein besonderes Fressverhalten haben. Zudem begann das Tierheimteam mit der medizinischen und pflegerischen Behandlung der Tiere. Hilfe beim Schneiden gibt es von den Hundefriseurinnen Yvonne Kessler, Inhaberin des Ilm-Barf-Shops, und Maria Seeber, Inhaberin eines Hundesalons in Langewiesen. „Eine Friseurin war sogar mit beim Tierarzt und hat einen Hund geschoren, der gerade in Narkose war, weil zeitgleich seine Zähne behandelt wurden“, so Kathleen Manzke.
Das Haareschneiden selbst sei für die Hunde ein wichtiger Schritt in ein neues Leben. „Da sitzt am Anfang ein Häufchen Elend auf dem Tisch und nach der Schur ist es wie ein neuer Hund, der sich freut und durch die Gegend hüpft“, sagt die Tierheimchefin weiter. Die Tiere würden ihr ganzes Wesen ändern. Und trotz des Erlebten hegen die Vierbeiner keinen Groll auf Zweibeiner – im Gegenteil: „Eigentlich müssten sie uns kratzen und beißen“, sagt Susanne Dobschat, doch die Hunde freuen sich über die menschliche Zuwendung. Das Tierheim ist auch über eine Halsbandspende der Zoohandlung „Zoo und Co. Schneider“ dankbar.
Die Versorgung, medizinische Behandlung und Fellpflege der kleinen Racker im Tierheim läuft weiter auf Hochtouren. Zeitnah soll auch die Vermittlung in ein neues Zuhause starten. Interessenten können sich schon jetzt im Tierheim melden, um die Hunde kennenzulernen und herauszufinden, ob ein und wenn ja, welcher Hund am besten passt. Es ist für jeden Geschmack etwas dabei: Die jüngsten Hunde sind gerade einmal fünf Monate jung, die ältesten schon im Seniorenalter. Darüber hinaus gibt es die verschiedensten Fellfarben – von hell bis dunkel.
Die neuen Besitzer müssten sich aber im Klaren sein, dass sie mit ihrem neuen flauschigen Mitbewohner noch keinen vollkommen erzogenen Hund bekommen, sagt die Tierheimchefin. „Manche sind vom Verhalten her schon ängstlich oder etwas misstrauisch, aber man muss bedenken, dass sie vermutlich noch nie das Haus verlassen oder eine fremde Person gesehen haben“, erklärt Kathleen Manzke. Die Sozialisierung der Hunde sowie die Arbeit an der Stubenreinheit und den Hundekommandos sei schon ein großer Aufwand, der sich aber lohne. „Wir brauchen dringend liebe Leute, die Verständnis haben, dass die Hunde noch nicht perfekt sind.“ Mit Liebe, Zuwendung, Geduld und Konsequenz werden Zwei- und Vierbeiner sicher zu einem guten Team.
Tierheim braucht Hilfe
Das Ilmenauer Tierheim bittet um Spenden für die 19 geretteten Lhasa Apso Hunde. Die Versorgung der Tiere ist mit einem immensen Personal- und Kostenaufwand verbunden. Spenden können unter dem Stichwort „19 kleine Seelen“ an das Konto des Tierschutzvereins Ilmenau und Umgebung mit der IBAN: DE 45 84 05 10 10 11 25 00 01 51 überwiesen – oder per Paypal an nachricht@tierheim-ilmenau.de geschickt werden.
Hundeinteressenten können sich für einen Kennlerntermin im Tierheim unter der Telefonnummer (0 36 77) 67 11 57 oder per E-Mail an nachricht@tierheim-ilmenau.de melden. Tierheimfreude können auch einen Tierheimkalender kaufen und somit die Einrichtung unterstützen.
Auch über Hunde- und Katzenfutterspenden freut sich das Tierheim. Allerdings bitten die Mitarbeiter zum Wohle der Tiere, dass es sich um Futter mit einem hohen Fleischanteil und ohne Getreide- und Zuckerzusatz handelt.