Punkt 9 Uhr begann sich der Demonstrationszug mit seinen 4500 Teilnehmern zu formieren. Die Belegschaften der Schmalkalder Betriebe und die der umliegenden Orte marschierten zur Hagenstraße, wo sie auf den Schulhöfen der Oberschule und Mädchenschule Aufstellung nahmen. 10 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung mit dem Ziel Fachschulwiese am Bahnhof Stillertor. „Ein buntbewegtes Bild bot dieser Zug. Voran schritt die Jugend, die Schulen und zahlreiche Gruppen der FDJ. Dann kamen in zwangloser Formation Parteiführer, Behörden, die Handwerkerschaft, das Kulturamt, Metallbetriebe, Landratsamt, Finanzamt, die Zeitung „Thüringer Volk“, ESG, Konsum, Bahn, Stadtverwaltung, Postamt, Polizei und Feuerwehr...“ Das Baugeschäft Tripp führte einen Wagen mit, der das verkleinerte Holzmodell eines wiederaufgebauten Hauses zeigte. Eine Seite erinnerte mit verkohlten Trümmern an die „wahnsinnige Vernichtung des Hitlerkrieges“.
Vor dem Feiern standen auch vor 65 Jahren erst einmal reichlich Ansprachen an die Versammelten. Nachdem unter Kapellmeister Fritz Werner die Feiermusik erklungen war, der Bezirks-Arbeitersängerchor unter Stabführung des in Weidebrunn beheimateten Bezirksdirigenten Louis Danz „Empor zum Licht“ schmetterte, Ewald Grahmann das Gedicht „Steh auf, deutsche Jugend“ rezitierte, „richtete Landrat Möbius herzliche Begrüßungsworte an die Demonstranten“. Und an Vertreter der Militäradministration als Gäste der Kundgebung.
Hauptredner war Ernst Römer, Polizeidirektor aus Jena. Er erinnerte daran, dass man nach 13 Jahren „erstmalig wieder den Weltfeiertag in dem von der Nazidiktatur befreiten Deutschland“ begehen könne. Römer dankte den Alliierten, „an der Spitze die ruhmreiche Rote Armee, die die Deutschen vom Regime eines wahnsinnigen Klüngels skrupelloser Verbrecher erlöst hat“.
Zehn Tage nach der Wiedervereinigung von KPD und SPD erklärte Römer die Zeit des Bruderkampfes endgültig für beendet, „die deutsche Arbeiterschaft ist einig in Willen und Glauben an das große Endziel der sozialistischen Gesellschaftsordnung“.
Der Referent blickte zurück, ins Jahr 1890, als die SPD am 1. Mai zum Kampf gegen Monarchismus und Reaktion aufgefordert hatte. Er erinnerte an Persönlichkeiten wie Karl Liebknecht und August Bebel. Danach, so schreibt der Redakteur, „streifte der Redner in großen Zügen die Leistungen beim Wiederaufbau der am Boden liegenden Wirtschaft, die, im Verhältnis zur Kürze der Zeit, beachtlich sind ...“
Eine Forderung, die Römer an diesem Tag aufmachte, war die nach einer Bodenreform für ganz Deutschland. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass in den westlichen Zonen die „militärische Zunft und die reaktionären Kapitalisten auf ihren Gütern sitzenbleiben können und auf den nächsten Profitkrieg warten“.
Auch den Frauen wandte sich Ernst Römer zu. Die Gleichberechtigung durchzusetzen bezeichnete er als ein zentrales Anliegen. Er wünschte sich von den Frauen, ihre angeborene Zurückhaltung gegenüber dem öffentlichen Leben abzulegen und sich in die politische Arbeit einzubringen. Der Gast aus Jens schloss seine Rede mit einem „flammenden Appell, sich zusammenzuschließen und allen feindlichen Stimmen durch Einigkeit entgegenzutreten“.
Die Kinder verbrachten den Nachmittag im „Volksgarten“, organisiert von der FDJ, dem Frauenausschuss und der Bäckerinnung. Kasperltheater auf der Freilichtbühne, Spiele und andere Anregungen sowie die Kindertanzgruppe unter der Leitung von Fräulein Inge Schrotsberger „sorgten für ein paar Stunden im Freien bei prächtigem Sonnenschein“. Auch der Magen kam nicht zu kurz. 700 Salzbrezeln wurden verteilt. Am Abend feierten dann die Belegschaften der Betriebe auf verschiedenen Sälen in der Stadt.
Die Artikel, aus denen wir zitieren, wurden gefunden von den Mitarbeitern im Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden im Thüringer Volk vom 7. Mai 1946.