Feuilleton Als Verbündete zu Gegnern wurden

Klaus Grimberg

Auf der Potsdamer Konferenz 1945 beschlossen die Alliierten die Nachkriegsordnung für Deutschland und Europa. Auch das Ende des Kriegs im Pazifik wurde von hier aus eingeleitet - durch den Befehl zum Einsatz der Atombombe.

 
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Als die 19-jährige Sekretärin Joy Milward im Juli 1945 im Gefolge Winston Churchills nach Potsdam kam, betrat sie - so schien es ihr - "eine andere Welt". Die junge Frau aus der Nähe von London war zum Dienst in der britischen Delegation ausgewählt worden, die mit den USA und der Sowjetunion über die Konsequenzen aus der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands verhandeln sollte. Trotz der Arbeit von morgens früh bis oft spät in die Nacht fand Joy ein wenig Zeit, ihre Eindrücke aus Potsdam und Berlin abseits der großen Weltpolitik festzuhalten. Ihr Tagebuch ist eines der schillerndsten Exponate der Ausstellung "Potsdamer Konferenz 1945 - Die Neuordnung der Welt" am historischen Ort der Verhandlungen in Schloss Cecilienhof.

Ohne Triumphgefühle

Zum Tagebuch von einst gibt es ein wunderbares Video zu sehen, in dem die heute 94-jährigen Dame von ihren Erinnerungen an jene Tage berichtet, so lebendig und frisch, als wäre die Konferenz erst gestern zu Ende gegangen. Das Ausmaß der Zerstörung, so erzählt sie, habe sie völlig unvorbereitet getroffen, die Leere und Niedergeschlagenheit in den Gesichtern der Menschen und insbesondere der Kinder habe sie nie vergessen. Nicht ein Gefühl des Triumphs habe sie in solchen Momenten beschlichen, sondern der Verantwortlichkeit. Auch in den beschlagnahmten Villen von Neubabelsberg, in denen die Delegationen einquartiert waren, sei sie fortwährend auf sehr bewegende Spuren der früheren Besitzer gestoßen. Das habe sie immer wieder seltsam berührt, denn die Eindrücke deckten sich so gar nicht mit den Feindbildern der Propaganda.

Mit Zeugnissen wie von Joy Milward versuchen die Kuratoren der Ausstellung die Potsdamer Konferenz zumindest teilweise von der großen weltpolitischen Bühne hinunter zu heben und auch Impressionen vom Alltag der Wochen zwischen dem 17. Juli und 2. August 1945 zu geben. Aber natürlich stehen die Entscheidungen der "Großen Drei" im Mittelpunkt: Was der amerikanische Präsident Harry S. Truman (1884-1972), der britische Premierminister Winston Churchill (1874-1965) und der sowjetischen Diktator Josef Stalin (1878-1953) aushandelten, sollte die politischen Konstellationen in Europa grundlegend verändern. Mit der Einigung auf die Oder-Neiße-Linie als Grenze zwischen Deutschland und Polen wurde der Verlust der Heimat für mehr als 14 Millionen Deutsche besiegelt und die Einflusssphäre der Sowjetunion deutlich nach Westen verschoben.

Damit einhergehend zeichnete sich bereits in Potsdam der Bruch der Anti-Hitler-Koalition ab, der in den folgenden Jahren und Jahrzehnten in die Konfrontation der Systeme und den Kalten Krieg mündete. Da Truman nach dem Tod von Präsident Franklin D. Roosevelt im April 1945 erst wenige Monate im Amt war und Churchill während der Konferenz von seiner Niederlage bei den Unterhauswahlen überrascht und von seinem Nachfolger Clement Attlee abgelöst wurde, konnte sich Stalin insbesondere in Fragen der Grenzziehungen durchsetzen. Über die Entnazifizierung und die Entmilitarisierung Deutschlands, die Aufteilung des Landes in vier Besatzungszonen und die Errichtung einer demokratischen Grundordnung bestand zwischen den Verhandlungspartnern Einigkeit - wenngleich das abschließende Potsdamer Abkommen später sehr unterschiedlich ausgelegt werden sollte.

Verweigerte Leihgaben

Ein wichtiger Faktor während der Wochen in Potsdam war, dass der Krieg gegen Japan noch weiter tobte. Die Verhandlungspartner einigten sich in einer Potsdamer Erklärung vom 26. Juli 1945 auf ihre Bedingungen für eine japanische Kapitulation. Einen Tag zuvor hatte Truman von Potsdam aus den Befehl zum Einsatz der Atombomben gegeben, die am 6. und 9. August Hiroshima und Nagasaki zerstören und zehntausende Menschen töten sollten. Welches Inferno über die beiden Städte hereinbrach, lässt sich zumindest erahnen, wenn man den Video-Interviews mit zwei betagten japanischen Männern zuhört, die als Jugendliche die Bombenabwürfe überlebten und noch 75 Jahre später von ihren Erinnerungen überwältigt werden. Auch durch diese Zeugnisse führt die Ausstellung sehr klar vor Augen, dass die Potsdamer Konferenz für das Ende des Zweiten Weltkriegs im Pazifik und die Abgrenzung alter und neuer Machtbereiche der USA und der Sowjetunion genauso wichtig war wie für die Neuordnung Europas.

Doch selbst nach so langer Zeit scheint über die historische und politische Bewertung jener Konferenz nicht überall auf der Welt Einigkeit zu bestehen. Russland hat der Ausstellung trotz eines unterzeichneten Vertrags wichtige Leihgaben verwehrt, weil an einigen Ausstellungstexten Anstoß genommen wurde: Die Bezeichnung Stalins als "Diktator" und der Verweis auf den "Personenkult" um ihn wollte man von höchster russischer Seite so nicht stehen lassen. Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Japan sei überdies nicht etwa durch die Atombombenabwürfe, sondern "durch den Einmarsch der ruhmreichen Roten Armee" in die Mandschurei am 8. August 1945 herbeigeführt worden. Weil die Potsdamer Kuratoren entsprechenden Änderungsvorschlägen nicht nachkommen wollten, wird etwa eine Originaluniform Stalins nun nicht nach Potsdam ausgeliehen. Was dort - halbwegs diplomatisch - als "traurig" und "wenig souverän" bezeichnet wird.

"Potsdamer Konferenz 1945. Die Neuordnung der Welt". Schloss Cecilienhof in Potsdam, bis 31. Dezember, Di-So 10-17.30 Uhr

www.spsg.de

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