Nachbar-Regionen "Macht's halt" - Frankenwald als DDR

Nordhalbens Bürgermeister Michael Pöhnlein (links) mit Hauptdarsteller Friedrich Mücke bei der Preview von "Ballon" in der Nordwaldhalle. Quelle: Unbekannt

Bully Herbigs Thriller "Ballon" hält in der Nordwaldhalle über 900 Zuschauer in Atem. Der Regisseur fehlt. Er ist krank. Trotzdem hören die Gäste von ihm.

 
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Nordhalben - "Nier schlechd", dieses Prädikat drückt ein Zuschauer dem Film "Ballon" auf. Der ist am Samstag in der Nordhalbener Nordwaldhalle vor über 900 Gästen gezeigt worden - als Preview vor dem offiziellen Kinostart am 27. September. "Nier schlechd" dürfte so ziemlich das größte Kompliment sein, zu dem die eher zurückhaltenden Oberfranken fähig sind. Und die wiederum haben es Regisseur Bully Herbig angetan. Mit ihrem Entgegenkommen bei den Dreharbeiten in Nordhalben haben sie ihn so nachhaltig beeindruckt, dass sie ihn gleich nach der Weltpremiere, die am Mittwoch in München stattfand, noch vor allen anderen sehen sollten.

Der Thriller basiert auf einer wahren Geschichte, die sich im Sommer 1979 im thüringischen Pößneck ereignet hat. Die Familien Strelzyk und Wetzel haben über zwei Jahre hinweg einen waghalsigen Plan geschmiedet: Sie wollen mit einem selbst gebauten Heißluftballon aus der DDR fliehen. Doch der Ballon stürzt kurz vor der westdeutschen Grenze ab. Die Stasi findet Spuren des Fluchtversuchs und nimmt sofort die Ermittlungen auf, während die beiden Familien sich gezwungen sehen, unter großem Zeitdruck einen neuen Fluchtballon zu bauen. Mit jedem Tag ist ihnen die Stasi dichter auf den Fersen - ein nervenaufreibender Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Drei Wochen wurde der Film im Oktober 2017 in Nordhalben gedreht. "Und die Nordhalbener haben geholfen und unterstützt, wo sie konnten", lobt Bürgermeister Michael Pöhnlein. Eine verlassene Bäckerei wurde innen wie außen zur Apotheke, die aufgegebene Volksbank der Gemeinde wurde zur Sparkasse der DDR. Reichlich Patina und morsche Fensterrahmen ließen die Fassaden vieler Häuser künstlich altern. "Vor Beginn der Dreharbeiten kam ein Vorauskommando der Crew. Da wurde schnell klar, dass das Haus von Ferdinand Schultes in der Gartenstraße viel zu gelb ist. Wir sind also dahin, haben geklingelt und ihm gesagt, dass wir das anders streichen müssten. Da kam von ihm die legendäre Antwort: 'Macht's halt'", berichtet der Bürgermeister.

Auch Hauptdarsteller Friedrich Mücke, der am Samstag in Nordhalben dabei ist, findet nur lobende Worte für die Gemeinde: "Das war schon besonders hier. In dem Film ist deshalb ganz viel Nordhalben drin." Von 52 Drehtagen habe man immerhin 21 in dem Frankenwald-Ort gedreht. Bully Herbig, der krankheitsbedingt nicht mit nach Nordhalben kommen konnte, habe ihm aufgetragen, die Nordhalbener zu grüßen. Mücke verspricht, bald wiederzukommen und mit Bürgermeister Michael Pöhnlein ein Stück des ehemaligen Grenzstreifens entlangzuwandern. "Bei den Dreharbeiten hatte ich ja gar keine Zeit, mich umzuschauen", erklärt er. Und Pöhnlein nickt: Filmemachen sei Schwerstarbeit. Gibt es vielleicht schon ein neues Projekt? Der Bürgermeister lacht und deutet dann vielversprechend an: "Ich darf noch nichts sagen."

Wie das beim Film zugeht, hat auch Sonja Bloß am eigenen Leib erfahren. Die Nordhalbenerin hatte erstmals in ihrem Leben zwei Einsätze als Statistin. "Da wurde jede Szene ein paar Mal gedreht", erzählt sie. Sie habe beim Konsum in der Schlange stehen und einmal mit einem Schirm durchs Bild laufen müssen. "Frau mit Schirm, hieß das im Skript. Ich hab' mich selbst kaum mehr erkannt, wie die mich zusammengerichtet haben. Ich hatte ein Kopftuch auf, eine Kittelschürze und Gummistiefel an. Aber das hat unheimlich viel Spaß gemacht", sagt sie begeistert. Sollten die Szenen mit ihr nicht im Film gelandet sein: Es wäre ihr egal. Viel wichtiger sei es gewesen, dabei zu sein.

Die Frau mit Schirm sieht man übrigens später im Film. Der hält das Publikum ganz schön in Atem mit einer Mischung aus gründlicher Milieustudie und aufwühlender Verfolgungsjagd. Bully Herbig zeichnet das oft in düsteren Bildern - noch düsterer kamen sie in Nordhalben rüber, weil die Lichttechnik zur Preview leider nicht optimal war: Ein kleiner Wermutstropfen an einem ansonsten gelungenen Abend. Insgesamt eben "nier schlechd".

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