Thüringer helfen Erst abgebrannt, nun "abgesoffen"- und im Notquartier

Vor fünf Jahren abgebrannt, jetzt abgesoffen - eine Familie aus Steinach steht nach einem Wasserschaden, der über Tage hinweg unentdeckt blieb, vor dem Nichts.

 
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Steinach - Die Hände zittern. Trotzdem kniet sich Monika Börner aufs Sofa und greift nach der Gardinenstange. Ein ums andere Mal versucht sie die heruntergefallene Schiene zurück in die Halterung zu nesteln. Ihre Tochter Jeannette schaut der Mutter fast ungläubig zu: "Mama, lass doch. Warum machst du das? Das braucht's doch nicht. So wie's hier überall ausschaut."

Monika Börner reagiert gereizt: Natürlich müsse sie die Gardinenstange wieder gerade rücken. "Es muss doch alles seine Ordnung haben." Zumindest von außen, wenn einer aufs Haus blickt, soll es ordentlich aussehen. Wenigstens das.

So schaut die 35-Jährige also schweigend zu, wie die Mutter sich weiter müht dem Chaos des Nachmittags an diesem einen Punkt etwas entgegen zu setzen und dabei um eine Normalität ringt, die verloren gegangen ist, abgesoffen, der zerstörerischen Kraft des Wassers zum Opfer gefallen.

Am Samstag war das Mutter-Tochter-Gespann vormittags von Gera nach Steinach mit dem Zug gefahren. Als sie in der Sonneberger Straße angelangten, ins Haus hineinwollten, war kein Weiterkommen mehr möglich, weil überall das Wasser schwappte.

Am Montag vergangener Woche war Monika Börner das letzte Mal hier. Danach erledigte die Frau auf den Ämtern in Ostthüringen alles was es braucht, um den Umzug vorzubereiten. Die Arbeitslose meldete sich ab, kündigte ihre Wohnung. Eigentlich wollte die 59-Jährige Anfang März zusammen mit ihrer behinderten Tochter einziehen ins Haus ihrer Eltern, die beide schon verstorben sind.

Eine knappe Woche also stand das Gebäude leer. Und irgendwann in dieser Zeit löste sich ein Eckventil. Aus der Küche im Obergeschoss schoss das Wasser aus der Leitung, suchte sich vermutlich über mindestens zwei Tage hinweg seinen Weg, erst in die Wohnräume im mittleren Stockwerk, dann ganz nach unten. Es setzte sich im Gebälk fest, überspülte die Schaltkästen, ergoss sich ins Mauerwerk. Die Zwischendecken sogen sich voll, weichten auf, gaben nach. Von der Verkleidung sind in einigen Räumen nur noch Reste übrig. Vielfach baumeln lose die Rigips-Platten herab - im Wohnzimmer, im Bad, in der Küche.

Um 13.17 Uhr am Sonnabend erreichte der Notruf der geschockten Börners die Steinacher Feuerwehr. Mit rund zwei Dutzend Rettern und mehreren Fahrzeugen ging's sofort in die Sonneberger Straße, zum Auspumpen, zum Versuch zu retten, was zu retten ist. Ob mit all der Technik ein Totalschaden abgewendet werden konnte? Mancher Helfer hat da seine leisen Zweifel. "70 000 Euro, mindestens", würde es wohl kosten alles wieder herzurichten, sagt einer - im Versuch der Größenordnung dieser privaten Katastrophe eine Hausnummer zu geben.

Kein Versicherungsschutz?

"Auf jeden Fall ist das Gebäude nicht mehr bewohnbar", bilanziert Holger Jacob. Steinachs Stadtbrandmeister hat den städtischen Ordnungsamtsleiter Hartmut Zinner hinzugebeten. Beide Männer kommen rasch überein, dass es im Moment sicher das beste ist, Mutter und Tochter in einem städtischen Notquartier unterzubringen.

Elke Börner ist fassungslos, ringt mit den Tränen. Eigentlich hatte es doch ein Neustart werden sollen. Nachdem vor einigen Monaten ihr Bruder verstarb, bekam sie das Haus zugesprochen. Drei Jahrzehnte, nachdem sie Steinach verlassen hatte, wollte sie wieder zurückkehren, "mein Erbe antreten", das zurzeit wenig mehr ist als eine nasse Trümmerburg.

Die Feuerwehrler schauen betroffen zu, wissen alle, wovon die schmal gebaute Frau spricht als sie erzählt, vor fünf Jahren erst habe es die Familie schon einmal so schlimm erwischt. Ende Juni 2011 stand das Wohnhaus in Flammen. 50 Feuerwehrler aus Steinach und Umgebung waren damals im Einsatz. Ursprünglich war zunächst ein Blitzeinschlag vermutet worden. Dann rückten die Experten von der Kripo an und erkannten auf Brandstiftung.

Aufgeklärt wurde nie, wer da gezündelt hat, niemand verurteilt für das, was ihrer damals noch lebenden 77-jährigen Mutter und dem Bruder angetan wurde, sagt Monika Börner.

Dass nun das Schicksal ein zweites Mal - nach fünf Jahren - ausgerechnet dieselbe Familie so brutal beutelt? Dass dieses Mal eine mürbe gewordene Leitung die Ursache sein soll, ein schadhaftes Ventil an der Spüle? Die 59-Jährige mag es nicht hinnehmen. Vielleicht ist ja jemand eingedrungen, sagt sie. Am Schluss rückt somit auch die Polizei an in der Sonneberger Straße. Zwei Beamte suchen im Gebäude und im Schnee ringsum nach etwaigen Spuren eines Einbruchs, nach Hinweisen, die das Geschehen der Betroffenen irgendwie erklärbar machen könnten.

Wirklich schnell bei der Sache war bisher nur die Versicherung. Ein Rückruf beim zuständigen Vertreter, so sagen die Helfer, habe ergeben, dass diese nicht eintreten will. Gegen Sturm und Blitz, Feuer und Hagel war der verstorbene Bruder demnach versichert. Doch das Risiko eines Wasserschadens sei eben nicht abgedeckt, hieß es am Telefon. Sie habe den Vertrag einfach weitergeführt, erbost sich Monika Börner.

Nach Erschöpfung und Wut? Bricht sich letztlich Verzweiflung Bahn: "Wie soll es denn weitergehen jetzt? Wer hilft uns denn?" Dass Mutter und Tochter jedenfalls nicht die Mittel und Möglichkeiten haben, das Haus wieder herzurichten, ist offenkundig.

Der Verein "Freies Wort hilft" , das Hilfswerk dieser Zeitung, ruft zu Spenden auf zugunsten von Monika und Jeannette Börner. Als eingetragener Verein kann Freies Wort hilft steuerabzugsfähige Spendenquittungen ausstellen.

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