Als Jacqueline ihre Unterschrift unter die Autobestellung gesetzt hat, mit ihrem ausgedienten alten Kombi heimfährt, braucht sie dann doch wieder einen Scheibenwischer. Jetzt gleich wird sie all das, was sie schon nach den Zwischenberichten in der Zeitung für einen Traum ("Zwick mich, ist das alles wahr?") hielt, ihrer Tochter Lucy zeigen können. Schwarz auf Weiß im Kaufvertrag.
Keine fünf Autominuten bis Unterpörlitz. Die junge Frau nestelt nach ihrem Taschentuch, sie sei in den letzten Tagen ohnehin schon sehr zart besaitet gewesen. "Ich musste immer wieder heulen, obwohl ich doch stark sein möchte."
Tränen der Freude
So stark wie in den vergangenen drei Jahren, seit sie - neben heftigem Pech, unerwarteten Abstürzen in ihren Partnerschaften - mit den schweren Behinderungen ihrer kleinen Cora leben lernen musste. Und damit, dass Ärzte der Kleinen häufig gar nicht mehr viel Zeit gaben. Nun ist sie drei - und will älter werden!
"Meine Lucy findet es gar nicht schön, wenn Mama weint", sagt Jacqueline. "Aber seit uns ,Freies Wort hilft' mit den vielen Spendern so schön an die Hand nahm, weiß die Große: Alles Freudentränen."
Als Lucy dann aus der Schule kommt, fragt sie dennoch: "Mama, ehrlich jetzt, könnte ich das mit dem Auto eventuell nur geträumt haben?" Die Mutter: "Ich konnte da aber schon wieder richtig lachen. Erleichtert; überglücklich. Weil ich es genauso sah. Träumen wir?"
Jacqueline, die in Zeiten kleiner Pausen bei der Intensivpflege von Cora an eigenen Buchmanuskripten sitzt, schreibt und grübelt - nun schmunzelt sie so richtig schön. Ob sie denn den Journalisten von der Zeitung "einfach mal stellvertretend für all ihre vielen lieben Spender aus Südthüringen drücken" dürfe.
"Ich möchte den Menschen, die gespendet haben so, so, so viel Dankbarkeit ausdrücken, aber wie? Sie müssen das für mich hinbekommen! Bitte, ja? Von den vielen Geld-Einzahlern über die Freundinnen und alten Bekannten, die mich nach den Artikeln wieder entdeckten, anriefen, ermutigten, spendeten."
Unter den vielen, die Coras Schicksal berührte, war auch eine außergewöhnlich spendenfreudigen, weit über 80-jährige Rentnerin im Thüringer Wald. Eine, die seit sechs Jahrzehnten mit der Pflege ihres ebenfalls schwerstbehinderten Sohnes schon lange ein ähnliches Leben lebt wie Jacqueline und Lucy mit Cora.
"Ein Weihnachtsmärchen?" fragt Jacqueline, bekommt ihre Augen endlich wieder trocken, vergleicht ihr eigenes Schicksal mit dem von Millionen Elender "zu gleicher Stunde fast in aller Welt".
Sie und die zwölfjährige Tochter Lucy "haben nun mit dem Erfolg der Spendenaktion noch mehr Grund, von Glück zu sprechen. Weil die Große so liebevoll um ihre Schwesterchen bemüht und am, Gymnasium so fleißig ist".
Und: "Weil Cora mit ihren kleinen Fortschritten, ihrem Lächeln für uns Glück vermittelt, viel zurück gibt von Allem, was wir und unsere hilfreichen Angehörigen, Mediziner und Pflegekräfte ihr entgegen brachten."
Zudem scheint jetzt ein anderer dunkler Schatten vorbei. Denn dass die allein Erziehende mit Cora einen Vollzeit-Job daheim hat , wollte man bei der Arbeitsagentur erst nicht begreifen. Dort sah man zunächst nur, dass Jacquelines sehr kooperativer früherer Arbeitgeber (DHL in Köngen bei Stuttgart) sie zunächst freigestellt und ihr dann eine Versetzung in die Nähe Ilmenaus angeboten hatte. Dass Jacqueline aber diese Job-Möglichkeit einfach nicht wahrnehmen konnte, wollte die Beraterin nicht einsehen. "Die behauptete stur, ich hätte doch eine ,gute Vermittlungsfähigkeit', wenn ich die Cora einfach in ein Pflegeheim gäbe ..."
Doch dann wechselte in der Agentur die Sachbearbeiterin - und als Jacqueline die Kleine jüngst mit zum Gesprächstermin nahm, erübrigten sich weitere schriftliche Beweise und Begründungen dafür, dass Jacqueline eine Anspruch auf soziale Grundsicherung hat. Was - angesichts mütterlichen Betreuung sieben Tage die Woche plus ambulanter häuslicher Intensivpflege - auch noch kostengünstiger für den Staat ist als ein teures Spezialpflegeheim.
Der heutigen Weihnachtsabend verbindet Knedliks selbst so bezeichnete "Weiberwirtschaft" mit Tausenden Lesern; Spendern. Wenn die Drei dann mit Jacquelines Vater und dessen Katrin unterm Christbaum sitzen, gibt's traditionell Kartoffelsalat mit Wiener Würstchen.
Weil das Hilfswerk dieser Zeitung auch Lucys außerordentlich liebevolles Engagement für Cora an der Seite ihrer Mama würdigen möchte, wartet auf die große Schwester am Heiligen Abend ein Extrageschenk. Pssst, noch ist nicht Bescherung.