"Amelie" war ihr Kindername in Wolfenbüttel und später auch noch einige Zeit in Weimar. Mit 16 Jahren kam Prinzessin Anna Amalia nach Weimar, um dort vermählt zu werden. Was bis dahin in Wolfenbüttel und danach im Braunschweiger Schloss geschah, wie sich das Leben im Hochadel im Herzen der kleinen Amelie anfühlte, wie schwierig es war, die Bräuche am Hofe zu meistern, strenge Benimm-Regeln zu erlernen, standesgemäß zu dinieren, sich gesellig zu verhalten und doch gelegentlich einsam zu sein, beschreibt das Kinderbuch "Das Mädchen im Schloss". Am Mittwochabend wurde es in der Anna-Amalia-Bibliothek vorgestellt.

Mit Buch zum Geburtstag scheint der Weimar Knabe-Verlag ins Schwarze zu treffen: Fast 100 Zuhörer kommen zur ersten Lesung. Das schaffen heute meist nur lebende Prominente. Das Publikum ist bunt gemischt - was aber auffällt, sind die ausgesprochen zahlreichen männliche Zuhörer. Prinzessinnen ziehen eben immer. Um so glücklicher war Steffen Knabe, der Jungverleger des Knabe-Verlages, der "sich immer davor fürchtete", die bedeutsame Jugendbuch-Reihe seines Urgroßvaters gebührend fortzusetzen. Der Verlag würde mit Angeboten nur so bombardiert, aber als das Manuskript von Annette Seemann und Ulrike Müller hereinflatterte, war er sofort überzeugt. "Die Strahlkraft der Anna Amalia geht ja weit über die mitteldeutschen Grenzen hinaus."

Historisch genau

Dass die spätere sehr selbstbewusste Herzogin als Kind auch zu leiden hatte und man sich als Leser fragt, wie sich dieses junge Ding mit Buckel so mausern konnte, davon beginnt der erste Band einer geplanten Trilogie zu erzählen. Eine Persönlichkeit entwickelt sich eben vor allem dadurch, dass sie Hürden überwindet. Nicht immer leicht, aber unbeschadet. Begleitet wird das junge Mädchen im Text von einem mystischen Wesen, einer Nixe, die aus dem Fluss Oker (bei Wolfenbüttel) auftaucht und ihr immer wieder Beistand leistet. Mit diesem Fabelwesen bekommt das Buch, das sich genau an die Historie (Stammbaum, Personen im Mikrokosmos der Prinzessin, Orte des Geschehens) hält, Fluss und gewinnt an Fahrt. Für die sogenannte "biografische Erzählung" haben die beiden Autorinnen die Archive und Bibliotheken der Städte Wolfenbüttel und Weimar durchforstet. "Es gibt einen originalen Brief der Prinzessin in französischer Sprache, den sie als Siebenjährige schrieb. Der Brief ist sehr leserlich. Damals wurde ja auf eine exzellente Handschrift großen Wert gelegt." Autorin Annette Seemann: "Als die kleine Anna nach Weimar kam, sprach sie kaum deutsch. Am Hof wurde damals ja ausschließlich französisch gesprochen."

Am Ende des ersten Teiles kommt Amelie in Weimar als 16-Jährige an. Die Sprachbarriere muss für die junge Prinzessin auch ein kleiner Kulturschock gewesen sein. Und so hat das Buch auch ein Glossar mit aufklärenden Wörtern aus dem Französischen wie "apart" oder "Contenance", die zwar schon lange eingedeutscht sind, deren Herkunft sich Kinder aber heute nicht erklären können.

Wie in der Reihe des Urgroßvaters wurde das Buch in Halbleinen gebunden und mit handgezeichneten Tuschezeichnungen ausgestattet. Dafür hat der Verleger die Illustratorin Brigitte Geyersbach gewinnen können: "Ich habe für meine Detailzeichnungen sehr viel in Büchern und auch im Internet recherchiert. Für das Bild der Schlossküche gab es ja Vorlagen, ich wusste, wie eine sogenannte schwarze Küche damals aussah. Ich wusste auch, in welchem Gebäudes des Wolfenbütteler Schlosses damals die Küche untergebracht war." Aber wie so ein Sauerkrautfass oder ein Wasserbehälter nun im Details gezeichnet werden müssen, das musste sie sich erarbeiten.

Zweiter Band in Arbeit

Die Idee zum Buch hatte ein Familienvater. "Er war zu Besuch im Wittumspalais und wollte danach seinem Kind ein Buch über die junge Prinzessin kaufen, fand aber nichts fand." Annette Seemann und Ulrike Müller haben sich als Autorinnen um die Weimarer Kulturgeschichte bereits einen Namen gemacht. Mit dem Kinderbuch betreten sie nun aber Neuland. Der zweite Band soll pünktlich zur Leipziger Buchmesse 2016 erscheinen.

"Das Mädchen im Schloss" - Lebensgeschichten der Herzogin Anna Amalia. Knabe-Verlag Weimar 2014 - 14,95 Euro