Thüringen Von Miami nach Merkers - zur tiefsten Zumba-Party der Welt

Steve Boedt ist der am weitesten angereiste Gast dieser Party. Der weltweit bekannte Zumba-Star aus Belgien tanzt nur Stunden vorher noch in Miami. Am Samstagmorgen landet er in Deutschland und setzt sich ins Auto. Ziel: Merkers. 500 Meter unter der Erdoberfläche startet die tiefste Zumba-Party der Welt. Er ist dabei.

 
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Merkers - Etwa 350 Zumba-Fitness-Fans wollen mit Steve Boedt und weiteren nationalen und internationalen Stars aus der Zumba-Szene eine völlig neue Dimension erleben. Füllen sie sonst Sporthallen oder Strände, fahren sie dieses Mal rasant hinab in den ehemaligen Großbunker des Bergwerks. Diese Party beginnt für die buntgekleidete Gemeinschaft aus ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien, Spanien und sogar Kanada mit einer Helmausgabe, einer 90 Sekunden-Fahrt im Förderkorb und einer rasanten Laster-Tour durch ein Labyrinth unter Tage. Der eine Teil hält dabei zeitweise die Luft an und schließt lieber die Augen. Der andere quittiert kreischend die Fahr-Einlagen der Bergleute. Die Passagiere fühlen sich mitunter wie auf einer Achterbahn.

Gerade vor der Einfahrt hat Kathrin Carl aus Weimar mehr als nur Respekt. Die aus Neuhaus am Rennweg stammende 54-Jährige gesteht, wohl nicht das Bergmanns-Gen ihres Vaters geerbt zu haben. Jahrzehntelang fuhr der immerhin ins Erzbergwerk in Schmiedefeld zur Arbeit ein. Kathrin traut sich trotzdem. Die Freundinnen Barbara (62) und Romy (51) sind an ihrer Seite. Auf das weltweit erste Zumba-Event unter Tage sind die drei durch Zufall gestoßen. Ein Video mit Steve Boedt, eine Internet-Suchmaschine und die Lust auf ein besonderes Zumba-Erlebnis führt sie nach Merkers.

Tickets per Anruf gewonnen

Schon das ist in der über soziale Netzwerke absolut eng verquickten Fangemeinde ziemlich ungewöhnlich. Und wird getoppt: Michaela Eichler aus Plaue bei Arnstadt flattern die Tickets förmlich auf den Frühstückstisch. Sie, die schon immer mal an einen Zumba-Kurs gedacht, aber noch nie gemacht hat, hört beim Frühstücken im Radio vom Weltrekordversuch unter Tage. Sie ruft an, kommt sofort ins Studio von Antenne Thüringen durch und hat zwei Karten gewonnen. Ihre zwölfjährige Tochter Clara überrascht sie zur Zeugnisausgabe damit. Und bei all diesem Glück verpassen beide fast doch noch das Event. Eine ungeahnte Baustelle verzögert die An- und verhindert fast die Einfahrt. Sie hätten es bereut.




Der Konzertsaal unter der Erde wird zur Zumba-Hochburg. Bevor es überhaupt richtig losgeht, lässt ein Video von Andreas Bourani und sein Hit "Auf uns" keinen still stehen. Das Lied ist auf die - wie eine Familie wirkende - Gemeinschaft zugeschnitten: "Ein Hoch auf uns, auf dieses Leben. Ein Hoch auf das was uns vereint..." Dann werden die 20 Stars der Szene einzeln mit Laola-Wellen förmlich auf die Bühne getragen. Sie kommen aus Barcelona, Kassel, Köln, aber auch aus Etterwinden (Wartburgkreis) und Trusetal (Schmalkalden-Meiningen). Florian Kampf und Monique Buchholz haben mit dafür gesorgt, dass beim Weltrekord auch etliche Zumba-Fans aus der Region dabei sind.

Dann kann der ganz normale Zumba-Wahnsinn beginnen: Drei Stunden Fitness, HipHop, Aerobic... Von lateinamerikanischen Rhythmen über getwisteten Rock'n'Roll, bis hin zu internationalen Klassikern. Es wird getanzt und geschwitzt. Gefühlt steigen da die 19,8 Grad unter Tage schon mal auf 30. Mancher meint, selbst Alf - den größten untertägigen Schaufelradbagger der Welt - mitwippen zu sehen. Und obwohl sie überwiegend nur ganz dezent mit Fuß oder Kopf rhythmisch tippen und nicken - auch hartgesottene Bergmänner lässt diese Stimmung nicht unberührt. Einer versucht mit Handy und Digicam gleichzeitig zu filmen und zu fotografieren. Der Mann mit Helm und weißer Montur ist begeistert. "Wir haben 80.000 Besucher im Jahr, 1300 Leute bei einem Konzert. Aber wenn eine Gruppe von fast 400 Frauen und ein paar Männern so im Takt tanzt, dann reißt das voll mit", sagt Jörg Wolf. Er ist der Leiter Technik in der Merkerser Grube. Er findet die Veranstaltung "genial" bis "spitze". Besucherführer Jens Ebeling hält es für eine "tolle Geschichte". "Es sind einfach alle so locker und freundlich drauf!"

Bergmannskinder unter den Zumba-Fans

Und unter den Zumba-Freaks sind noch mehr Bergmannskinder. Diana Schmidt aus Breitungen singt inbrünstig das anfangs gespielte Bergmannslied mit. Ihr Papa war in Trusetal unter Tage. Die junge Frau ist mit mehr als 20 Leuten, die sich sonst beim Zumba-Kurs von Monique Buchholz in Trusetal treffen, in Merkers eingefahren. Für die meisten ist es das erste große Event. Sie genießen es alle. Obwohl "es ganz schön anstrengend ist", sagt Nico aus Wittenberg, der die Truppe begleitet. Er ist selbst Instruktor - sprich: Trainer. "Aber das sind die Stars. Da kommt noch mehr Power rum." Nico ist schweißnass.

Clara aus Plaue hat auch ihren Spaß. Und sie ist die wahrscheinlich jüngste Teilnehmerin beim Fitness unter Tage. Erst mit zehn Jahren dürfen Kinder überhaupt im Förderkorb nach unten. Gerade mal ein Jahr älter sind die Zumba-Star-Küken Julie und Fanny. Die Mädels aus der Nähe von Mönchengladbach und aus der Slowakei haben in ihren jungen Jahren schon weltweit Zumba gelebt. Beide performten bereits gemeinsam mit Beto - Alberto Perez, dem kolumbianischen Fitness-Trainer und Zumba-Erfinder - auf der Bühne. Julie war allein 2016 mit ihren Eltern in Orlando in Florida, China und Japan zu Events unterwegs. Jetzt tanzt sie 500 Meter tief unter der Erde und ist begeistert. Nicht nur, weil hier bereits ihre Stars von "Deutschland sucht den Superstar" aufgetreten sind. "Schon die Einfahrt war ein super Erlebnis. Ohne Zumba wäre ich vielleicht gar nicht hierher gekommen", sagt die 13-Jährige und strahlt. Und während Papa an der Bühne steht und filmt, mussten zwei andere Zumba-verrückte Mädels oben bleiben. Ihre Mama mit Schwesterchen Josie. Sie ist erst sechs. Dank der Videos vom Papa werden aber nicht nur sie die Stimmung im Bergwerk erleben können. Die bekommt auch Zumba-König Beto direkt nach Florida geschickt. Er hatte den Weltrekord-Teilnehmern schon per Video-Botschaft viel Spaß gewünscht.

"Mein Mann ist verrückter als ich"

Als der in Merkers möglicherweise älteste Zumba-Fan ist der 64-jährige Klaus aus dem Sauerland mit von der Partie. Er und seine Frau besuchten vor Jahren einen Schnupperkurs und konnten mit Zumba nicht mehr aufhören. "Mein Mann ist da aber viel verrückter als ich", sagt Ulrike. Der hat inzwischen den Trainerschein und weiß, dass "um Facebook nicht herum kommt, wer bei Zumba informiert sein will". Bei der Party im Bergwerk wechselt er mehrmals das Shirt. Während sich Ulrike öfter mal ausruht, kann Klaus bei diesen Rhythmen einfach nicht stillstehen. Er ist geschafft, aber glücklich.

Doch auch etliche Männer zum Event unter Tage zu sehen, findet Marcel Andres "cool". Der junge Mann ist Sport- und Bewegungspädagoge in Bad Salzungen und natürlich auch Zumba-Trainer. Er weiß, dass sich nicht so viele Männer in die Kurse trauen. Das sei aber wohl überall so. Selbst auf dem Kreuzfahrtschiff, auf dem er einige Zeit arbeitete, war das nicht anders.

Geschafft ist zum Schluss auch Manuela aus Dortmund. Die 50-Jährige spürt, wie es in ihren Beinen pocht. Sie gehört zu jenen, die sich heute gleich sechs Stunden Zumba gönnten. "Drei Stunden Fortbildung in der Solewelt Bad Salzungen, dann noch drei Stunden im Bergwerk. Aber hier Zumba zu machen, war eine tolle Idee und super organisiert von Sandra. Das wird sich in der Zumba-Szene schnell verbreiten." Die für ihr Organisations-Talent Gelobte ist Sandra Kretzing aus Pinneberg. Seit mehr als 20 Jahren ist sie Fitness-, seit fünf Jahren Zumba-Trainerin und gibt Kurse im Hamburger Umland. Gemeinsam mit ihrem Mann Andre organisiert sie inzwischen auch regelmäßig große Fitnesspartys.

Organisatoren sind zufrieden

Auf die Konzerthalle unter Tage in Merkers sind die beiden aber eher zufällig aufmerksam geworden. Bei einem Urlaub in Hessen besuchten sie ihren Freund und dessen Kletterpark im Erlebnisbergwerk. Die Idee reifte, hier Zumba zu machen. Das Ergebnis: "Eine supertolle, fröhliche Stimmung, die sich herumspricht und eine wunderbare Werbung für das Bergwerk ist. Die Leute sind ja wirklich aus aller Welt hier angereist", freut sich auch Wolf-Henning Schorn, der Chef vom Kletterpark. Sandra ist zufrieden mit dem Erfolg. "Es war schwierig, die Einmaligkeit dieses Events zu transportieren. Viele konnten sich gar nicht vorstellen, wie groß das hier ist. Aber schon die Einfahrt war ein Erlebnis und die Bergleute sind Klasse."

Das hört sicher auch Lutz Boehnke gern. Denn er hat ebenfalls einen guten Job gemacht - obwohl er keine Ahnung von Zumba hat. Der Leimbacher ist Fördermaschinist und seit 37 Jahren im Bergwerk. Er hat über der Erde am Leitpult darüber gewacht, dass auch diese etwas verrückte Gemeinschaft gut runter und wieder herauf kommt. Ist sie. Geschafft, aber glücklich. Und in der Hoffnung auf eine weitere Zumba-Party unter Tage.

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