Thüringen Ernährung für Kinder: Das Vorbild isst mit

Maria Streitferdt

"Sie will einfach kein Gemüse essen": Oft verzweifeln Eltern, wenn sie ihren Kindern gesunde Ernährung schmackhaft machen wollen. Dabei ist das viel einfacher als Sie denken. Eine Expertin gibt Tipps.

 
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Dienstag, 11 Uhr auf einem Spielplatz in Thüringen: Immer wieder hält die Mutter ihrer zweijährigen Hanna verzweifelt die geöffnete Brotdose hin. Drinnen Rohkost, in mundgerecht geschnittenen Stückchen: Möhren, Kohlrabi, Gurke. "Alles bio", lächelt die Mutter ihre Freundin an. Von Hanna erntet sie nur jedoch ein vehementes Kopfschütteln. Dann rennt die Kleine weg. "Immer wieder biete ich ihr diese gesunden Sachen an", sagt Hannas Mutter. "Aber sie isst es einfach nicht. Dabei hat sie heute noch nicht mal frühstücken wollen. Überall habe ich diese Dose dabei. Ich kann es mir nicht erklären. Sie will einfach kein Gemüse essen."

Pausenbrot & Co: Themenabend zur Kinder-Ernährung

Das Frühstück ist für Kinder enorm wichtig. Der kleine Körper benötigt am Morgen Nachschub. Das wird oft unterschätzt. Gut gefrühstückt lernt es sich auch viel besser. Dabei geht es nicht nur um das "Wieviel", sondern vor allem um das "Was".

"Pausenbrot, Familientisch & Co.": So heißt der exklusive Themenabend, zu dem unsere Zeitung die Leser für den 21. Juni nach Ilmenau einlädt. Die Ernährungsbegleiterin Maria Streitferdt ist nicht nur die Autorin der Texte auf dieser Seite. In Ilmenau wird sie mit einem Vortrag alle Fragen um die richtige Ernährung der Kleinen aufgreifen. Was lege ich in die Brotdose meines Kindes? Was ist ein Vollkornbrot und woran erkenne ich das? Wie passen Bio und ein kleines Budget zusammen? Wie kann ein Frühstück für Kindergarten oder Schule aussehen?

"Familienernährung und eine richtig gefüllte Brotbüchse sind mit etwas Planung und Kreativität einfach, man braucht kein riesiges Joghurtregal", sagt Maria Streitferdt. "Ich möchte Eltern Ideen mitgeben. Jeder kann in seinen Familienalltag mitnehmen, was für ihn machbar ist."

"Pausenbrot, Familientisch & Co."

Vortrag und Themenabend

am Mittwoch, 21. Juni , 18 Uhr

in der Freies Wort-Lokalredaktion

Ilmenau, Straße des Friedens 1

Eintritt frei. Zahl der Plätze
begrenzt, daher Anmeldung per
E-Mail oder Telefon erforderlich:

leserpost@insüdthüringen.de

(03681) 851-200


Die Regeln sind einfach

Resigniert nimmt sie sich selbst ein Stück Kohlrabi und beißt hinein. Darauf wird Lisa, die ebenfalls zweijährige Tochter ihrer Freundin, aufmerksam und schaut neugierig, aber schüchtern hinter Mamas Rücken zur fremden Brotdose. "Möchtest du auch ein Stückchen?" Hannas Mama hält ihr die Brotbüchse hin. Aber Lisa traut sich nicht. "Was hältst du davon, wenn sich Mama auch ein Stück nimmt?", sagt Hannas Mutter aufmunternd. Am Ende essen alle vier gemeinsam die Brotdose leer. Auch Hanna isst mit. Die Mütter haben alles richtig gemacht.

An dieser Stelle könnte der Beitrag auch schon enden. Das wichtigste ist gesagt. All die Tipps, wie man Kindern Essen schmackhaft machen könnte, sind in dieser Szene schon versteckt. Aber ich bin mir sicher: Nicht alle Eltern sind sich der vielen kleinen Dinge, die sie alle schon richtig machen, wirklich bewusst. Denn: Die richtigen Dinge mit etwas Fantasie und Geduld an der richtigen Stelle eingesetzt - und das Problem löst sich von selbst. Im Grunde weiß ein jeder ja auch, wie das geht mit dem gesunden Essen. Aber es ist wie mit der Bewegung. Alle wissen es. Aber die wenigsten tun es.

Aber eigentlich sollte man gar nicht von gesunder Ernährung sprechen. Sich ernähren ist nämlich ein elementares menschliches Bedürfnis und sollte der Gesundheit immer förderlich und nicht abträglich sein. Die Nahrung liefert dem menschlichen Körper das, was er zum Gesundbleiben braucht. Gesund sind dann Sie, nicht Ihre Ernährung.

In Sachen gesundheitsförderlicher Ernährung gibt es kein Allheilmittel für jedermann. Es gibt auch nicht die eine Lösung in dem Durcheinander von Ernährungsempfehlungen. Und schon gar nicht gibt es die eine optimale Ernährungsweise für Ihr Kind.

Jeder Organismus ist verschieden, und was für den einen gut ist, muss bei dem anderen nicht den gleichen positiven Effekt haben. Dessen muss sich jeder bewusst werden. Das ist auch der erste Tipp, den ich jedem ans Herz lege. Hören Sie auf Ihre Intuition, auf Ihr Elterngefühl, auf Ihren Körper. Er sagt ihnen, was er braucht. Es ist wichtig, ein Gespür für die eigenen Bedürfnisse zu erhalten oder wieder zu entwickeln.

Dabei ist es falsch, sich an starren Vorgaben und Regeln ohne Wenn und Aber festzubeißen. Das führt zu Stress. Bei kleinen Kindern ist dieses natürliche Gespür für die eigenen Bedürfnisse unbeeinflusst vorhanden. Sie kennen weder Uhrzeit noch Termine und geben ziemlich schnell zu verstehen, wenn sie satt sind. Gönnen Sie Ihren Kindern, dass sie sich diese "somatische Intelligenz" genannt, erhalten. Ernährungsempfehlungen sollten Möglichkeiten bleiben. Sie sind ein roter Faden im Ernährungsdschungel. Nicht mehr.

Gemeinsam essen

Schon die ganz kleinen Kinder sollten aus dem vielfältigen Angebot aussuchen dürfen und auch mitentscheiden. Orientieren Sie sich an Saison und Region und sorgen Sie für Abwechslung auf dem Familientisch. Frische und saisonale Produkte sind viel schmackhafter, zur Saison auch preisgünstiger. Aktuell wird das bei Erdbeeren deutlich. Sie schmecken frisch vom Feld intensiver und süßer.

Vielfalt kann man auch allein dadurch erreichen, dass man die Dinge unterschiedlich zubereitet. Warum nicht mal einen eisgekühlten, modernen Smoothie anstatt des Obsttellers? Darin lassen sich die verpöntesten Gemüse verstecken - und die Kinder finden es klasse!

Das Beispiel der beiden Mütter zeigt auch sehr gut, wie enorm wichtig es ist, den Kindern ein gutes Vorbild zu sein. Nachdem beide Mütter kräftig zugebissen haben, essen die zweijährigen Mädchen mit.

Schaut man auf den Familienalltag, sieht das oft anders aus. Die Kinder sitzen allein am Tisch und sollen essen. Oder die größeren Kinder nehmen ihren Teller mit ins eigene Zimmer. Ein gemeinsames Essen in Familie wird nicht gepflegt. Vielleicht, weil Essen mit ganz kleinen Kindern sehr stressig sein kann oder man selbst etwas essen möchte, was die Kinder nicht sehen sollen?

Jedoch ist es wichtig, den Kindern Vorbild zu sein und nicht das von ihnen abzuverlangen, was man selbst nicht lebt. Essen ist ein elementarer Teil der Erziehung, der von vielen unterschätzt wird. Bei einem gemeinsamen Essen am Tisch ist es einfacher, ein gutes Vorbild zu sein. Gemeinsam essen ist unmittelbar verbunden mit den am Tisch geführten Gesprächen und mit Emotionen.

Warum ein Essen zu einer Lieblingsspeise wird, ist nicht selten gekoppelt mit einer Situation, einem Menschen, der es liebevoll zubereitet hat oder der Aufmerksamkeit, die man damit bekommt. Der Grundstein für ein gesundes Essverhalten wird schon in frühen Lebensjahren in der Familie gelegt. Und dabei geht es nicht darum, dass Zweijährige mit Freuden jedes Gemüse essen sollen. Es ist wichtig, dass die ganz kleinen Kinder ihre eigenen Ess-Bedürfnisse mit den richtigen Lebensmitteln befriedigen können. An dieser Stelle sind die Eltern als Vorbild gefragt.

Am Ende zählt Qualität

Den Kindern müssen immer wieder die passendem Angebote gemacht werden. Die Kleinen können weder einkaufen noch kennen sie die Lebensmittel der Saison. Lehren Sie die Kinder, selbstbewusst zu essen. Die richtigen Lebensmittel finden Sie, wenn sie überdenken, welche es ohne die Lebensmittelindustrie überhaupt geben würde. Legen Sie Wert auf Qualität. Und mit "Bio" sind sie auf der sicheren Seite. Es ist immer wieder erstaunlich, dass sich der Kühlschrankinhalt komplett ändert, wenn aus Menschen Familien werden. Erst dann wird die Verpackung gelesen oder ein Beitrag wie dieser hier weckt das Interesse.

Und wer nun gar keine Neigung zur Kochschürze hat und sich lieber für andere Dinge begeistert, der schaut sich einfach bei anderen ab, was ihm gefällt, oder er sucht sich Hilfe. In Veranstaltungen rund ums Kochen können auch schon die ganz Kleinen ausprobieren und experimentieren. Bleiben Sie selbstbewusst und einfach kreativ!

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