Aktiv und Gesund Schritt für Schritt gesünder

Regine Warth

Sport stärkt die Gesundheit - insbesondere im Alter. Das ist längst bekannt. Die Altersforschung beschäftigt sich daher mit der Frage, wie Fitnesstracker Diabetikern, Bluthochdruck- oder Arthrosepatienten zu mehr Fitness und Lebensqualität verhelfen können.

 
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Stuttgart - Das Tagesziel hat Herbert G. schon am Vormittag zu 115 Prozent erreicht. Dazu waren nötig: 30 Minuten Laufband und 60 Minuten Training, das sich im Fitnessdeutsch "Body-Balance" nennt. Die App auf dem Smartphone kann den 62-Jährigen nur loben: "Exzellent!" Seit einem Vierteljahr füttert er die Anwendung auf seinem Handy mit den Fitnessdaten seiner Smartwatch. "Ursprünglich wollte ich die Uhr nutzen, um meine Radtouren aufzuzeichnen." Inzwischen findet er es aber "ganz spannend zu sehen", wie sich seine Fitness entwickele. Schon allein, weil er aufgrund eines hohen Blutdrucks sowieso auf ausreichend Sport achten muss.

Bluthochdruck

Sportart: Gut sind mäßige Ausdauersportarten wie Joggen, Nordic Walking, Wandern, Skilanglauf, Radfahren, Schwimmen oder auch Ballsportarten wie Tennis. Dazu moderates Krafttraining: Mehr Muskelmasse verbessert den Stoffwechsel, wodurch sich auch die Insulinresistenz verringern kann.

Training: Drei bis fünf Einheiten pro Woche, jeweils mit einer Dauer von mindestens 30 Minuten. Die Intensität sollte so gewählt werden, dass sie spürbar ist, der Puls aber nicht zu stark ansteigt. Die Faustregel, wonach der Puls höchstens 180 minus Lebensalter betragen darf, ist zu ungenau, warnt die Deutsche Herzstiftung. Viele würden sich mit dieser Regel zu stark belasten.

Vorsicht: Der Blutdruck muss vor Beginn eines Sportprogramms gut eingestellt sein, denn unter körperlicher Belastung kann ein bereits erhöhter Blutdruck weiter ansteigen. Wer über 45 Jahre alt ist und in der letzten Zeit keinen Sport getrieben hat, sollte sich zuvor vom Arzt durchchecken lassen.

Gesund bleiben und noch ein bisschen fitter werden - mit dieser Hoffnung ist Herbert G. nicht alleine: So nutzt fast jeder dritte Bundesbürger laut einer Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom Fitnesstracker zur Aufzeichnung seiner Daten - also Armbänder, Smartphone-Apps oder Smartwatches. Darunter sind überraschend viele Ältere: Während nur etwa ein Fünftel der 40- bis 49-Jährigen auf diese Weise ihre Trainingsdaten aufzeichnet, waren es bei den 60-Jährigen und Älteren rund 30 Prozent - ebenso viele wie bei den 15- bis 29-Jährigen.

Derzeit untersuchen Altersforscher, wie gut die digitalen Helfer eingesetzt werden können, um ältere Menschen und chronisch Kranke dazu zu motivieren, ihre Werte mit Hilfe von Sport zu verbessern. Einer von ihnen ist Clemens Becker vom Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart: "Grundsätzlich eröffnet die Nutzung moderner Gesundheitsanwendungen viele Chancen." Dennoch kann er den Umgang nicht uneingeschränkt empfehlen. So haben die digitalen Trainingshelfer noch einige Schwächen.

Diabetes

Sportarten: Eine Kombination von Ausdauer- und Krafttraining ist ideal. Um die Blutzuckerwerte zu verbessern, reicht ein täglicher, fünf Kilometer langer zügiger Spaziergang.

Training: Es braucht mindestens 150 Minuten pro Woche Ausdauersport mit moderater Intensität - verteilt auf drei Tage, besser fünf Tage die Woche. Eine Pause zwischen den Trainingseinheiten sollte nicht länger als zwei Tage sein. Krafttraining an mindestens drei Tagen der Woche unter Einbeziehung aller großen Muskelgruppen. Das Training sollte an jedem zweiten Tag erfolgen.

Vorsicht: Grundsätzlich gibt es zwei Zustände, denen Diabetiker vorbeugen müssen, warnt die Deutsche Diabetes Gesellschaft: die Unterzuckerung (Hypoglykämie) und die Übersäuerung. Um beide Stoffwechselentgleisungen zu vermeiden, sollte man die Insulindosen vor oder nach dem Training gezielt anpassen. Patienten sollten ihr geplantes Trainingsprogramm daher unbedingt vorher mit dem Arzt absprechen.

Sämtliche Fitness-Anwendungen gehen bei ihrer Datenerfassung von einem standardisierten Modellmenschen aus: Und dieser ist etwa 175 Zentimeter groß, hat ein Gewicht von 65 bis 70 Kilo und eine Schrittlänge von knapp einem Meter. "Je mehr die Nutzer von dieser Norm abweichen, umso ungenauer sind die Daten", sagt Clemens Becker. Im Rahmen eines Forschungsprojekts hat der Gerontologe zusammen mit Kollegen aus ganz Europa Fitnesstracker von verschiedenen Firmen auseinanderbauen lassen. Das Ergebnis: Zwar ist die verbaute Technik in nahezu allen Smartwatches und Handys die gleiche, problematisch sind aber die Algorithmen, nach denen die Geräte die Bewegung in Daten umwandeln. "Wir haben festgestellt, dass Schrittfolgen unter 0,7 Metern pro Sekunde gar nicht mehr recht erkannt werden." Für junge Menschen wäre das zwar kein Problem. Doch wer Arthrose in der Hüfte hat oder an Parkinson leidet, bewegt sich meist nur in Trippelschritten vorwärts - und diese werden von Smartwatch und Co. gar nicht mehr erfasst. Das könnte auch Patienten passieren, die mit Gehhilfen unterwegs sind.

Das Problem: Die Schrittzahl wird oft als Maß für andere Werte genutzt, etwa für die Distanz oder den Kalorienverbrauch - und die können sich durch falsche Messungen ebenfalls verfälschen. Wichtig ist daher, die Funktion des Schrittzählers erst einmal zu überprüfen: Dazu eine Strecke laufen, deren Länge bekannt ist, und die sich daraus ergebenden Werte als Maßstab nehmen.

Arthrose

Sportarten: Empfehlenswert sind Aerobickurse und Ausdauersportarten wie Schwimmen oder flottes Gehen wie Nordic Walking, aber auch Skilanglauf und Radfahren.

Training: Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie empfiehlt ein moderates Training von 30 bis 40 Minuten - am besten täglich oder mindestens zweimal die Woche. Es sollte auf drei Prinzipien beruhen: ein sanftes Training, ein gutes Körpergefühl, das zwischen Gelenk- und Bewegungsschmerzen unterscheiden kann, und ein Wechselspiel zwischen Belastung und Anpassung. Walking, Dehn- und Kräftigungsübungen sind bei schmerzenden Gelenken empfehlenswert.

Vorsicht: Ob Joggen eine gute Sportart für Arthrosepatienten ist, hängt davon ab, wie weit die Arthrose fortgeschritten ist. Wichtig sind stabile Beinmuskeln, weicher Untergrund und gute Schuhe. Sobald Schmerzen auftreten, das Gelenk warm oder dick wird, sollte man zum Arzt gehen.

10 000 Schritte täglich - das empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit Jahren als anvisiertes Tagesziel. Ein Wert, den man zu Anfang erst einmal vergessen solle, sagt Clemens Becker. "Wer gerade beginnt, sich mehr zu bewegen, darf seine Ziele nicht an irgendwelchen vorgegebenen Werten orientieren." Seine Empfehlung: Den eigenen Trainingszustand zunächst mal um 20 Prozent steigern. Wer also jeden Tag etwa 5000 Schritte geht, sollte sein Schrittziel um 1000 oder 2000 Schritte erhöhen, "das ist schon ein großer gesundheitlicher Erfolg".

Auch wenn Fitnesstracker einem auf die Sprünge helfen können - so bleibt Gehen allein ein recht einseitiges Training. Kraft und Balance sind mindestens genauso wichtig, sagt Clemens Becker. Doch solche Messdaten werden von der heutigen Generation an Fitnesstrackern nur selten erfasst. Weshalb Becker und seine Kollegen in einem EU-Projekt gerade dabei sind, Geräte zu entwickeln, die diese Daten aufzeichnen können. Bis diese auf dem Markt sind, rät der Altersforscher schon jetzt, Kraft und Balance zu trainieren. Dazu gibt es einfache Übungen: Vom Stuhl aufstehen - ohne die Arme zu Hilfe zu nehmen -, sich aufrichten und wieder hinsetzen. Diese Übung fünfmal zügig wiederholen. Um die Balance zu trainieren, empfiehlt Becker, sich zehn Sekunden je auf ein Bein zu stellen.

Koronare Herzkrankheit

Sportarten: Ausdauersportarten, die sich mit niedriger Intensität durchführen lassen, sind geeignet: Joggen, Radfahren, Schwimmen, Rudern, Wandern oder Walking.

Training: Dreimal pro Woche mindestens 30 Minuten, am besten sogar täglich. Dazu eignet sich auch ein zügiger halbstündiger Spaziergang, heißt es bei der Deutschen Herzstiftung: dabei dreimal das Tempo für jeweils fünf Minuten so steigern, dass die Nachbarn sagen würden: "Der hat es aber heute eilig."

Vorsicht: Bei Ausdauersportarten sollte am Ende der Trainingseinheit kein Endspurt erfolgen. Deutlich empfehlenswerter ist es, zum Abschluss einer Übungseinheit gemütlich auszulaufen, was die Regeneration der Muskulatur unterstützen kann. Während der höheren Belastungen eines Intervalltrainings sollte darauf geachtet werden, dass der Puls nicht zu stark ansteigt oder dass die Pulsgrenzen, die der Arzt ermittelt hat, nicht überschritten werden.

So manche Krankenkassen bieten ihren Versicherten an, sie beim Kauf eines Fitnessmessers zu unterstützen - ein Umstand, der Verbraucherschützer aufhorchen lässt. Sie fürchten, dass einen Tages die Fitness-Apps auch gegen die Versicherten verwendet werden könnten: Wer sich nicht nachweislich fit hält, könnte gezwungen werden, mehr Beitrag zu zahlen. Auch Becker warnt, allzu sorglos mit den Daten umzugehen: "Anhand solcher Bewegungsprofile lässt sich sehr gut herauslesen, wie stark eine Person gefährdet ist, einen Schlaganfall zu bekommen oder an Demenz oder einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu leiden." Solche Informationen sollten nicht in falsche Hände geraten.

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