Schmalkalden - Gruselzeit in der Stadtbibliothek. Mitarbeiterin Susann Aderhold freute sich über die ungewöhnliche Lesung, die durch das Sponsoring der Rhön-Rennsteig-Sparkasse möglich gemacht wurde. Gleichzeitig erging es ihr aber wie dem Rest der Zuhörerschaft: Der kalte Schauer über den Rücken wäre das kleinere Übel gewesen. Das Wissen um die Echtheit der schrecklichen Morde wirkte nachhaltig. Dabei hatte Kirchschlager sein Publikum bereits vorgewarnt. Man könne sich ekeln oder erschrecken, stand in der Ankündigung. Immerhin ging es beim Abend der Serienmörder in der Heinrich-Heine-Bibliothek um authentische Kriminalfälle. Und der ehemalige Leiter der Morduntersuchungskommission des Bezirkes Gera, Kriminalrat a. D. Hans Thiers, stand mit eindrücklichen Erläuterungen aus erster Hand zu seinem neu erschienenen Buch "Mordfälle im Bezirk Gera" Rede und Antwort.

Die Stuhlreihen im großen Ausleihraum füllten sich, Kirchschlager selbst dimmte das Licht herunter. Die unglaublichen Geschehnisse der unterschiedlichen Serienmorde in Nürnberg und Thüringen konnten vor dem inneren Auge der zahlreichen Zuhörer Revue passieren. "Nicht im fernen New York oder in anderen Metropolen der Welt sind diese Kriminalfälle passiert", machte der Autor und Verleger Kirchschlager deutlich, "sondern hier ganz in der Nähe".

Der Fall des Kuno Hofmann aus dem Jahr 1972, der als "Vampir von Nürnberg" in die Kriminalgeschichte einging, weil er das Blut seiner Opfer trank. Die schrecklichen Morde in der Kleinstadt Bürgel aus dem Jahr 1976, der schließlich ein dritter Mord im Jahr 1982 folgt. "Wir hatten den Täter dann innerhalb von 24 Stunden gefasst", berichtete Hans Thiers. Trotz der Amnestie in der DDR war er nach der Wende neu verurteilt worden. Nach dem Absitzen seiner Haftstrafe habe er wahrhaftig noch fünf Tötungsversuche verüben können, von denen er sogar drei vollzogen habe. "Es gibt solche Mörder, die sogar die Psychiater an der Nase herumführen können", war eine von Thiers Erklärungen.

Die Mutter aus Zeulenroda, die zwischen 1976 und 1981 ihre sechs eigenen Kinder nach der Geburt tötete. Und auch die Mutter aus Neustadt/Orla, die ihre einjährige Tochter nachts aus der Wochenkindertagesstätte herausholte und bestialisch ermordete. "Das war 1976, da war ich gerade als Newcomer in die Mordkommission versetzt worden", erinnert sich Thiers, und man merkt seinem Gesichtsausdruck an, wie sehr ihn der Fall bis heute berührt. Dass der professionell arbeitende Kriminalist mit den vielen Jahren Berufserfahrung immer in großer Anteilnahme von seinen Fällen sprach, war bewegend. Seiner detailreichen Beschreibung der Tat des Ronneburger Sexualmörders, der 1976 ein neunjähriges Mädchen in Gera entführt, missbraucht und getötet hatte, war das hilflose Gefühl vom "Nichtverhindernkönnen" der Grausamkeit abzulesen. Kirchschlagers Kommentar zum Geständnis des Täters: "Ein Alptraum, ein Alptraum, einfach".

Das Interesse an den verschiedenen Büchern aus der Kriminalliteratur des kleinen Verlages war so groß, dass Michael Kirchschlager Nachschub aus seinem Auto holen musste. Umringt von interessierten Leserinnen und Lesern blieben die beiden noch eine ganze Weile im Anschluss an die Lesung.

Dass man auf dem Heimweg durchaus noch von einem mulmigen Gefühl verfolgt wurde, konnte auch der Polizistenwitz nicht verhindern, den Kirchschlager zum Abschluss zum Besten gegeben hatte. "Moment mal, nicht mit mir - Sprungtuch hinlegen und drei Meter zurück!", rief der Kriminalist den Feuerwehrleuten aus dem brennenden Haus zu, die beim ABV und Verkehrspolizisten zuvor das Tuch geschickt weggezogen hatten.

Ob Kirchschlager selbst zu später Stunde in seinem mittelalterlichen Burgturm auf dem Kirchberg in Schwallungen vorbeigeschaut hat, ist nicht bekannt. Im Jahr 2007 hatte der Arnstädter das Baudenkmal erworben und ist fast jedes zweite Wochenende mit Frau und den beiden Kindern dort. "Die Unterstützung der Unteren Denkmalbehörde des Landes könnte nicht besser sein", lobte der aktive 48-Jährige das Engagement der Fachleute bei seiner Arbeit. Sicherung, Sanierung und Konservierung machen die Kirchschlagers selbst. "Und ganz ohne Zement", wie der Bauherr mit Nachdruck versicherte, denn der sei Gift für jedes Gebäude mit Sandstein.