Meiningen - In seinem Vorwort hebt Intendant Ansgar Haag die überregionale Bedeutung eines vielfältigen Chorlebens auf hohem Niveau am Meininger Theater hervor. Neben dem fest engagierten Ensemble gab es über Jahrzehnte die Mitwirkung von Laienchören aus Meiningen und der Region. Ohne sie wären die Aufführungen von Wagner-Opern nicht möglich gewesen. Ein Lob des Intendanten richtet sich auch an den ehemaligen Sänger, Regisseur und Direktor des Musiktheaters, Günther Hofmann, der Großes geleistet habe.

Als Autor hat Günther Hofmann jetzt zusammen mit dem Chorsänger Horst Arnold eine "Chronik des Meininger Opernchors" hrausgegeben. Sie bietet Einblicke in Meininger Operntheateraufführungen von 1831 bis 1866, der Wiedergründung in den 1920er Jahren und der Ära seit 1945 bis in die Gegenwart. Bei ihren Recherchen griffen die beiden Autoren auf Spielpläne, Theaterpublikationen, Zeitungsartikel und veröffentlichte Publikationen, darunter "Kunst und Künstler in Meiningen" und "Geschichte des Meininger Theaters" von Alfred Erck zurück. Weniger neue Erkenntnisse zur Meininger Theatergeschichte als viel mehr eine chronologische Übersicht unterm besonderen Blickwinkel des Meininger Theaterchorgesangs erwartet den Leser.

Einen langgehegten Wunsch hat sich Horst Arnold mit dieser Publikation erfüllt. Als Tenor ist er seit 1990 im Meininger Theaterchor engagiert. Zuvor hatte der gelernte Fleischer aus der Rhön ein vierjähriges Chorstudium in der Chorklasse absolviert. Ein Novum damals. Weil es in den 1980er Jahren an studierten Theaterchorsängern mangelte, sorgte das Meininger Theater in Kooperation mit der Weimarer Hochschule für Musik für den eigenen Nachwuchs. Mit der Wende hatte sich das Problem erledigt.

2009 begann Horst Arnold mit seinen Recherchen zu einer Theaterchorchronik. Ein Jahr später kam Günther Hofmann als Co-Autor hinzu. Während der Chorsänger die Arbeit des Chors "als wichtige Säule des Theaters ins rechte Licht" rücken will, richtet der ehemalige Operndirektor seinen Blick auf die Bedeutung des Meininger Musiktheaters in der theatergeschichtlichen Entwicklung.

Spielpläne mit der Übersicht sämtlicher Opern, die seit der Eröffnungsspielzeit 1831/32 aufgeführt wurden, werden dokumentiert. Dazu gibt es interessante Informationen unter der Rubrik "Wussten Sie schon?" So erfährt der Leser, dass Herzog Bernhard I. 1858 nach der Übernahme der Hoftheaterleitung erstmals ein eigenes Ensemble mit acht Solisten und acht Chorsängern gründete, die sich auf der Szene je nach Bedarf austauschen sollten. Da jedoch die Choristen nur ein Drittel der Gage eines Solisten bekamen, fanden sich nur wenige bereit, unter diesen Konditionen zu singen. Einen Sonderetat gab es allerdings für die Aufführung "Der fliegende Holländer" zum Geburtstag von Bernhard II. am 17. Dezember 1865. Auch "Hülfssänger" wurden bezahlt.

Als Georg II. die Leitung des Hoftheaters 1866 antrat, waren noch sieben Herren und sechs Damen im Chor. Nach Auflösung des Operntheaters könnten sie als Statisten ins Schauspielensemble übernommen worden sein, vermuten die Autoren. Hart ist die Kritik von Günther Hofmann an der Einsparungspolitik Georg II. Den Erfolgen, die er mit seinem Sprechtheater in Europa hatte, stände ein künstlerisches Vakuum in seiner kleinen Residenz gegenüber, behauptet der erfahrene Operndirektor aus DDR-Zeiten. Zudem habe ein auf wenige Klassiker des Schauspiels reduzierter Spielplan einseitig auf die Landeskinder wirken müssen. Auch moralisch versucht Hofmann den Theaterherzog vom Sockel zu heben.

Dagegen stehen Alfred Ercks Betrachtungen im Kapitel "Licht- und Schattenseiten". Gewichtige Gründe führt er zur Auflösung des Opernbetriebs an. Darunter: Konzentration der beschränkten finanziellen Mittel und geistigen Potenziale auf das Schauspiel, Ablehnung des im Opernbetrieb üblichen Virtuosentums, Abgrenzung gegenüber den Vorlieben seines Vaters Bernhard II., der Unterhaltung durch Kunst für belangvoller ansah. Erst als Georgs Sohn, Bernhard III., zu Beginn des Ersten Weltkriegs das Schauspielensemble und Hofkapelle auflöste, hätten die Meininger Bürger protestiert. Vor allem Orchestermusiker hätten nach dem Ersten Weltkrieg die Wiedergründung des Operntheaters initiiert, nicht zuletzt deswegen, weil ihre eigene Existenz davon abhing.

Hoch-Zeit des Chors

Ganz anders war die Situation zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Um die "Volksgemeinschaft" bei Laune zu halten, wies der Thüringer Gauleiter Sauckel an, einen Theaterchor zu gründen, um deutsche Spielopern aufführen zu können. Eine Hoch-Zeit für den Theaterchor folgte darauf in den 1950er. Für die Oper "Aida" wurde der Chor auf 91 Sänger verstärkt. In der Spielzeit 1976/77 gibt unter den 166 Musiktheatermitgliedern 31 Chorsänger. Und unter der Leitung von Sierd Quarré sind 2009/10 immerhin 33 Sängerinnen und Sänger angeführt.

Insgesamt bietet die "Chronik des Meininger Opernchores" ein interessantes Nachschlagewerk. Es füllt manche Lücken, die nach der Wende über die Meininger Theaterarbeit zu DDR-Zeiten entstanden sind. Oft werde vergessen oder absichtlich unterschlagen, was an Positivem geleistet wurde, beklagt Günther Hofmann. Die Herausgabe der "Chronik des Meininger Opernchores" wurde durch den Theaterförderverein unterstützt.

Die "Chronik des Meininger Opernchors" von Horst Arnold und Günther Hofmann gibt es für 15 Euro an der Theaterkasse.