Eigener Inhalt Analoge Zeiten

Susann Winkel

Im Unterricht kommen digitale Medien nach wie vor selten zum Einsatz. Die Bundesregierungmöchte das ändern, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes lieber nicht.

 
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Wer vor zwanzig Jahren auf einer Schulbank saß, der packte täglich fleißig Fotokopien ein. Wer im Jahr 2017 in Deutschland eine Schule besucht, der packt noch immer nahezu täglich Kopien ein. Damals wie heute ist das weiße Blatt im A4-Format die unangefochtene Nummer eins unter den im Unterricht eingesetzten Medien.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wollte es genauer wissen. Es ließ Schüler befragen, welche Medien ihre Lehrer täglich einsetzen. Neben der Fotokopie (85 %) werden auch der Overheadprojektor (31 %) und der Beamer (25 %) noch gerne genommen. Immerhin: Ähnlich intensiv werden auch Whiteboards (digitale Tafeln, 35 %), Notebooks/Laptops (34 %) sowie stationäre PCs (28 %) verwendet. Höchst selten im Unterricht sind Smartphones (7 %), Digital- und Videokameras (6 %) sowie DVD-/Blue-ray-Player (1 %). E-Book-Reader wurden nicht einmal als regelmäßiges Lernmittel genannt.

Zumindest der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, bedauert diese analogen Zeiten nicht. Statt einer besseren Ausstattung der Schulen mit zeitgemäßen Medien forderte er diese Woche, dass Kinder in der Schule einen "asketischen Umgang mit den digitalen Möglichkeiten" lernen. Es sei ein Irrglaube, Unterricht würde mit Smartphones mehr Lernmotivation bringen. "Nein, Unterricht verkäme damit noch mehr zum Edutainment." Smartphone und Laptop verführten vor allem dazu, dass sich die Schüler "nur noch Info-Häppchen holen".

Brigitte Zypries, seit Januar Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, sieht das offensichtlich ein wenig anders: "Digitalisierung muss alle mitnehmen, um zum globalen Erfolgsmodell zu werden: quer durch alle Altersklassen und Bevölkerungsschichten, vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum Konzern, vom Entwicklungsland bis zum Industriestaat." Wie das gelingen kann, stellt ihr Ministerium in einer aktuellen Broschüre vor, die sich explizit auch Digitalisierung und Bildung widmet. Und hier bestehe Nachholbedarf.

Bei der Nutzung digitaler Geräte an Schulen liege Deutschland im internationalen Vergleich im hinteren Drittel. Neben der Ausstattung der Schulen, etwa mit WLAN, gelte es vor allem, in die Ausbildung der Ausbilder zu investieren. Häufig hinke deren digitales Wissen dem ihrer Schüler deutlich hinterher, was rund zwei Drittel der Lehrer selbstkritisch als Problem erkennen. Vorerst wird also weiter fleißig fotokopiert.

Programmierenin der Grundschule
Geht es nach der Bundesregierung, dann sollen Kinder an die neuen Digitaltechnologien möglichst früh herangeführt werden. Zu diesem Zweck förderte das Bundeswirtschaftsministerium die Entwicklung von Calliope mini, einem handtellergroßen, sternenförmigen Kleinstcomputer, mit dem Grundschüler programmieren lernen sollen. Kinder können daran mit wenigen Klicks erste eigene Programme erstellen. Der Calliope mini kann beispielsweise zur Steuerung eines Roboters eingesetzt werden. Spielerisch sollen Grundschüler lernen, wie Schaltungen, Software, Sensoren und Computer generell funktionieren. Der Calliope mini wird dazu kostenlos an Drittklässler verteilt – zunächst im Saarland. Bis Ende 2017 sollen in allen Bundesländern Pilotschulen mit insgesamt 100 000 Exemplaren der Mikrocontroller ausgerüstet sein.


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