Die minimalistische Garderobe
Wie bereits erwähnt, kommt dem Kleiderschrank im Minimalismus eine Schlüsselrolle zu. Viele erfahren und verstehen bei seiner Sichtung erstmals, wie viel sie haben und wie wenig sie davon brauchen und mögen. Beim Aussortieren der Kleidung sollte es aber nicht bleiben, Minimalisten schwören nämlich auf eine "Capsule Wardrobe", einen Kleiderschrank voller Lieblingsstücke. In diesem befinden sich laut Lina Jachmann nur sehr wenige, ausgewählte Stücke, die sich dafür aber alle untereinander gut kombinieren lassen, sodass viele Outfits möglich sind. Damit das glückt, braucht es vorab ein wenig Gedankenarbeit:
? Was muss Ihre Kleidung leisten? Welchen Bedarf haben Sie zum Beispiel an Sportkleidung, eleganter Abendgarderobe oder strengem Business-Outfits?
? In welcher Kleidung fühlen Sie sich wohl, in welcher eher verkleidet?
? Welche Farben, Muster und Materialien tragen Sie gerne?
Die Investition in qualitativ gute Basis-Teile lohnt sich, der regelmäßige kritische Blick auf
die Auswahl ebenso. Was davon doch nicht oder nicht mehr getragen wird, gehört ebenfalls aussortiert.
Minimalismus im Netz
Neben den jüngst erschienenen Büchern findet im Netz eine rege Debatte rund um das Thema Minimalismus statt, an der sich zahlreiche Blogger und YouTuber beteiligen. Zum Beispiel:
? Apfelmaedchen.de (Blog)
? Minimal Mimi (YouTube)
Ganz der Anregung und Inspiration für einfaches und nachhaltiges Leben ist diese Internetseite gewidmet:
? www.utopia.de
Der Minimalismus-Monat
Wenn es bereits "klick" gemacht hat, aber die Motivation zum Loslegen fehlt, könnte die "Minimalismus-Challenge" helfen. Lina Jachmann hat für einen Monat 30 Aufgaben zusammengestellt, die für Anfänger eine machbare Herausforderung sind. Zum Beispiel:
? Tag 2. Stehrümchen – verstaubte Dekoration aussortieren.
? Tag 4. Alle unerwünschten Newsletter, Kataloge und Werbesendungen abbestellen.
? Tag 18. Clean Eating – einen Tag lang nur frisches Obst und Gemüse essen.
? Tag 24. Aufbrauchen – einmal die Vorratsschränke leeressen.
? Tag 25. Digital detoxen – 24 Stunden offline gehen ud das Smartphone ausstellen.
An dieser kleinen Auswahl zeigt sich bereits, wie weit sich Minimalismus als Ansatz für die Lebensgestaltung fassen lässt. Es geht dabei längst nicht nur um Gegenstände.
Gründe für Minimalismus
So vielgestaltig wie sich der neue Minimalismus präsentiert, so unterschiedlich sind auch die Gründe, warum Menschen sich für ihn interessieren. Lina Jachmann unterscheidet drei:
1. Begeisterung für die cleane, aufgeräumte und geradlinige Ästhetik. Wer weniger Dinge besitzt, kann diese auch schneller wieder aufräumen und die Wohnung leichter putzen. Da weniger Dinge, dafür ausgewählte von guter Qualität gekauft werden, lässt sich die Einrichtung stimmiger und wertiger gestalten.
2. Hinwendung zu einem nachhaltigen, ressourcenschonenden Leben. Minimalisten interessieren sich nicht nur dafür, wie sie mit Dingen umgehen, sondern auch dafür, wie und unter welchen Bedingungen Dinge hergestellt wurden. Sie geben Regionalem oder in Handarbeit Gefertigtem den Vorzug, sie reduzieren ihren Verpackungsmüll und vermeiden Lebensmittelabfälle. Außerdem sind sie Selbermacher – sie wecken ein, mischen ihre eigenen Putzmittel an und reparieren Kaputtes.
3. Wunsch nach Klarheit und Übersicht im eigenen Leben. Wer weniger Dinge in seinem Leben hat, die seine Aufmerksamkeit fordern, kann sich den großen Fragen zuwenden: Wie möchte ich leben? Mit wem und womit möchte ich meine Zeit verbringen? Für was möchte ich mein Geld ausgeben?
Minimalismus anpacken
Lina Jachmann hat für ihr Buch nicht nur viele Menschen besucht, die in ihrem Zuhause und ihrem Alltag einen minimalistischen Lebensstil pflegen. Sie gibt unter der Rubrik "Do it Yourself" auch viele Rezepte zum Selberherstellen von Produkten.
? Naturkosmetik: Zahnputzpulver mit Kamille, Salbei und Pfefferminze oder ein Körperpeeling mit Zitronenschalen
? Reinigungsmittel: Waschmittel aus Kastanien und Allzweck-Orangenreiniger
Bücher
Lina Jachmann: Einfach leben. Der Guide für einen minimalistischen Lebensstil – broschiert, 240 Seiten, mit 200 farbigen Abbildungen, erschienen im März 2017 im Knesebeck Verlag München, 24,95 Euro
Weitere minimalistische Lektüre:
? Anneliese Bunk und Nadine Schubert: Besser leben ohne Plastik. Kann der Alltag auch ohne Plastik funktionieren? Das fragten sich die beiden Autorinnen und leben heute annähernd plastikfrei. In ihrem Buch zeigen sie, wie und wo man Plastik einsparen und ersetzen kann. Sie bieten zuhauf leicht umzusetzende Tipps und Tricks, angefangen vom bewussten Einkauf bis hin zum Selbermachen von Produkten, die man "plastikfrei" nirgends bekommt. (erschienen 2016 im Oekom Verlag München, 108 Seiten mit zahlreichen Farbabbildungen, 12,95 Euro)
? Nathan Williams: The Kinfolk Home. Lebe in deinem Rhythmus. Das dänische Kinfolk-Magazin präsentiert 35 Wohnungen und Häuser weltweit, die die Merkmale des Slow Living widerspiegeln und beispielhaft für entschleunigtes Wohnen und einen von Achtsamkeit geprägten Lebensstil stehen. In Porträts und Essays sprechen die Bewohner über ihre Werte und zeigen, wie man in ästhetisch-schlichten, oft auf wenige Farben und natürliche Materialien reduzierten Räumen zur Ruhe kommen kann. (gebunden, 368 Seiten mit 350 farbigen Abbildungen, erschienen 2016 in der deutschen Übersetzung im Knesebeck Verlag München, 39,95 €)
? Marie Kondo: Magic Cleaning. Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert. Zur Berühmtheit in ihrem Heimatland Japan und in den USA wurde Marie Kondo wegen ihrer besonderen Methode, Ordnung zu schaffen. Angepackt wird dabei der gesamte Hausstand bis zur letzten Kaffeetasse, am Ende sollten zwei von drei Dingen die Wohnung verlassen haben – im Müllsack. (erschienen im März 2013 im Rowohlt Verlag Berlin, 224 Seiten, 9,99 Euro). Wie es nach dem "Aufräumfest" weitergeht und "Wohnung und Seele aufgeräumt bleiben", das erklärt Magic Cleaning 2. (erschienen 2014 in der deutschen Übersetzung im Rowohlt Verlag)
Aller Anfang ist schwer
Minimalismus ist vor allem Kopfsache. Es muss zunächst einmal "klick" machen, erklärt Lina Jachmann. Damit es "klick" macht, führt sie in ihrem Buch eine lange Liste an Denkanstößen und eine noch viel längere an Übungen auf. Darunter auch die folgenden:
Denkanstöße
? 80-20-Regel: Ein Westeuropäer besitzt im Mittel ungefähr 10 000 Dinge. In 80 Prozent seiner Zeit verwendet er davon aber nur 20 Prozent. Das bedeutet, jeder von uns verwahrt rund 8000 Gegenstände, die selten oder gar nicht zum Einsatz gelangen.
? 20-20-Regel: Alle Dinge, die sich innerhalb von weniger als 20 Minuten für weniger als 20 Euro beschaffen lassen, müssen nicht auf Vorrat oder "für alle Fälle" vorgehalten werden.
Übungen
? Verlassen Sie Ihre Wohnung, gehen Sie zum Beispiel in ein Café, und schreiben Sie für einen Raum oder einen Schrank alle Dinge auf, die sich darin befinden. Wieder zu Hause vergleichen Sie: Gegenstände, an die Sie sich nicht erinnern konnten, haben offensichtlich wenig Bedeutung in Ihrem Leben.
? Stellen Sie sich vor, Sie hinterlassen an Ihren Möbeln und Gegenständen Spuren, sobald Sie darauf sitzen, liegen oder sie in Gebrauch haben. Welche Dinge hätten nach einer Woche viele Spuren, welche gar keine?
Fotos: Knesebeck Verlag, ari